Woody Allens bester Film seit Langem
Chansons und zweite Chancen: In Hollywood ist der Oscarpreisträger persona non grata. Deshalb drehte Woody Allen seinen 50. Kinofilm „Coup de chance“ in Frankreich.
Innsbruck – In Hollywood ist Woody Allens Karriere vorbei. In den USA bekommt er seine Filme inzwischen weder finanziert noch besetzt. Stars, die noch vor wenigen Jahren stolz auf die Zusammenarbeit mit dem vierfachen Oscarpreisträger waren, Timothée Chalamet zum Beispiel oder Greta Gerwig, haben sich inzwischen für die Filme, die sie mit Allen drehten, entschuldigt.
🎬 Trailer | Coup de chance von Woody Allen
Vor mehr als dreißig Jahren soll er sich an seiner damals siebenjährigen Adoptivtochter vergangen haben. Das behauptet Allens Exfrau Mia Farrow. Allen leugnet. Zwei Ermittlungsverfahren versandeten. Es steht Aussage gegen Aussage. Lange haben die Vorwürfe Allens Karriere nicht geschadet. Doch mit dem Fall Weinstein und „MeToo“ kippte das Klima: Woody Allen gilt als Täter. Seine jüngsten Regiearbeiten kamen in den USA nicht mehr in die Kinos.
Nun hat Woody Allen einen neuen Film gedreht. Den ersten ganz ohne Hollywood – durch „Rifkin’s Festival“ (2020) geisterte immerhin noch Christoph Waltz.
Verbrechen und andere Kleinigkeiten
„Coup de chance“ entstand in Frankreich, mit französischem Geld und französischen Schauspielern. Trotzdem ist der Film reinster Woody Allen. Im Grunde hat er die Geschichte, die er diesmal erzählt, schon mindestens dreimal erzählt, zweimal in New York („Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ und „Manhattan Murder Mystery“) und einmal in London („Matchpoint“). Auch deshalb fühlt sich „Coup de chance“ vertraut an. Und es ist nicht zuletzt diese Vertrautheit, die den Film zum „Glücksfall“ macht, die der deutschsprachige Verleihtitel verspricht.
Es geht um eine junge Frau (Lou de Laâge), die sich ihr Leben an der Seite eines zwar dubiosen, aber gut betuchten Geschäftsmanns (Melvil Poupaud) ganz gemütlich eingerichtet hat. Dann läuft ihr das Schicksal in Gestalt eines Schriftstellers (Niels Schneider) über den Weg. Sie kennen sich von früher, sinnieren über Zufall und Vorsehung, Chansons, zweite Chancen. Was man halt so sagt, bevor man miteinander ins Bett geht. Der nicht gerade zimperliche Gatte erfährt vom Seitensprung, kontaktiert seine Männer fürs Grobe – und den Rest kann man sich denken.
Federleichter Flow im Postkarten-Paris
„Ein Glücksfall“ ist eine Kriminalkomödie. Die Mechanik ist gut geölt. Jede Szene hat ihre Funktion, jede Einstellung ihren Zweck. Sehr unterhaltsam ist der Film, weil es nie um die Plausibilität des Gezeigten geht, sondern um den federleichten Flow, mit dem hier ein Rädchen ins andere greift. Natürlich wohnt der mittellose Autor mondän, natürlich schaut Paris aus wie eine Postkarte. Man ahnt, dass das Budget von „Coup de chance“ nicht das höchste war. Aber man sieht es nicht.
Fünfzig Filme hat Woody Allen seit 1969 gedreht. Nächstes Jahr wird er 90. „Coup de chance“ könnte, das sagt er selbst, sein letzter sein. Er ist kein Meisterwerk, kein „Manhattan“ oder „Stadtneurotiker“. Auch kein „Zelig“. Aber „Coup de chance“ ist Woody Allens bester Film seit Jahren – und insofern nicht der schlechteste letzte Eindruck.
Coup de chance
Ab 16 Jahren. Ab Donnerstag in den Kinos.
Regie und Buch: Woody Allen; Kamera: Vittorio Storaro; DarstellerInnen: Sara Martins, Lou de Laâge, Niels Schneider und Melvil Poupaud