Sorge vor Flächenbrand

Iran griff Israel erstmals direkt an: Was das bedeutet und warum eine Eskalation droht

Israel und die Islamische Republik Iran sind Erzfeinde.
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Der Iran feuerte in der Nacht mehr als 300 Drohnen und Raketen auf Israel. 99 Prozent davon wurden abgeschossen. Dennoch wird vor einem beginnenden Flächenbrand in der Region bzw. einer weiteren Eskalation des Konflikts gewarnt.

Was ist passiert?

Der Iran hat in der Nacht auf Sonntag Israel erstmals direkt angegriffen und mehr als 300 Drohnen und Raketen abgefeuert. Das israelische Militär wehrte nach eigenen Angaben die Attacke erfolgreich ab. Israel hatte Unterstützung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens.

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Warum hat der Iran das getan?

Der Iran beruft sich bei seinem Raketenangriff auf Israel auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UNO-Charta: Am 1. April wurde die iranische Botschaft in Damaskus angegriffen, zwei iranische Elitegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen Revolutionsgarden wurden dabei getötet. Der Angriff wird Israel zugeschrieben. Der Iran hat nun darauf reagiert. Die Militärführung in Teheran sprach von einer erfolgreichen Operation, Irans UN-Mission erklärte den Angriff für beendet und warnte vor Gegenschlägen – wohl wissend um das große Eskalationspotenzial.

Warum droht die Eskalation?

Israel und die Islamische Republik Iran sind Erzfeinde. In den vergangenen Monaten nach Beginn des Gaza-Kriegs hat sich der Jahrzehnte alte Konflikt dramatisch zugespitzt. Der jüdische Staat sieht sich nach Angriffen von Milizen, die mit dem Iran verbündet sind, an mehreren Fronten unter Beschuss. Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und Israel als Erzfeinde der Islamischen Republik. Netanjahu bezeichnete den Iran in der Vergangenheit ebenfalls als „wichtigsten Feind“.

Die direkte Auseinandersetzung der beiden Länder könnte die ganze Region in Brand stecken. Die Feindschaft wird in sogenannten Stellvertreterkriegen ausgefochten. Der Iran unterstützt etwa israelfeindliche Milizen – neben der Hamas im Gazastreifen insbesondere die schiitische Hisbollah im Libanon und die Houthi-Rebellen im Jemen. Gemeinsames Ziel ist, die israelische Bombardierung des Gazastreifens zu stoppen und die US-Truppen aus der Region zu vertreiben.

Warum sind Israel und der Iran Erzfeinde?

Die Feindschaft zwischen dem Iran und Israel begann mit der Machtübernahme des religiösen Führers Ayatollah Khomeini im Jahr 1979 im Iran. Khomeini sah (das jüdische) Israel als größte Bedrohung für die islamische Welt und die Muslime. Daraufhin entstand ein Fleckerlteppich an Feinden und Verbündeten. Einige sind Partner der USA und hoffen auf eine Koexistenz mit Israel oder haben diese mit Abkommen und Friedensverträgen bereits besiegelt. Andere Kräfte wollen den jüdischen Staat vernichten und sehen in Israel und den USA – ganz nach Darstellung Teherans – den „kleinen und großen Satan“.

Welche Verbündeten gibt es?

Grob betrachtet stehen auf der einen Seite Länder, die Frieden mit Israel geschlossen haben oder dies anstreben und die mit den USA etwa militärisch zusammenarbeiten. Dazu gehören Ägypten, Jordanien und die Golfstaaten Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Bahrain. In Kuwait und Katar gibt es ebenfalls große US-Militärbasen, diese Länder stehen Israel aber deutlich kritischer gegenüber, besonders seit Beginn des Gaza-Kriegs.

Auf der anderen Seite stehen Länder, in denen mächtige Milizen oder politische Bewegungen helfen, den militärischen Einfluss des Iran in der Region zu erhalten oder auszubauen. Dazu zählen Syrien, Libanon, Irak und der Jemen. Syriens Regierung ist direkt mit dem Iran verbündet. Im Libanon zählen die Hisbollah und im Jemen die Huthi-Milizen zur sogenannten „Achse des Widerstands“, die der Iran gegen Israel aufgebaut hat.

Der Irak hat beiderseitige Beziehungen: auf der einen Seite eine ganze Gruppe Iran-treuer Milizen, darunter die sogenannten Volksmobilisierungskräfte, die sich schrittweise zur vorherrschenden politischen Kraft im Land entwickeln. Die irakische Regierung arbeitet zugleich aber mit den USA zusammen, auch mithilfe der noch rund 2400 im Land stationierten US-Soldaten.

Was passiert jetzt?

Es kommt darauf an, wie Israel auf den Angriff reagiert. Das wiederum hängt davon ab, ob die politischen Falken – die einen harten Gegenschlag fordern – oder die Tauben – die sich für Besonnenheit aussprechen – die Oberhand behalten.

Israel hat als Ergebnis des iranischen Angriffs jedenfalls ein Stück weit die Solidarität seiner Verbündeten zurückgewonnen. Diese war wegen des harten israelischen Vorgehens und der vielen zivilen Opfer im Gaza-Krieg erheblich geschrumpft. Ein militärischer Alleingang gegen den Iran könnte dieses neue diplomatische Kapital aber wieder aufs Spiel setzen.

Der Experte Eldad Schavit von dem israelischen Institut für Nationale Sicherheit (INSS) sagte am Sonntag: „US-Präsident Biden bevorzugt eine koordinierte diplomatische Reaktion der G7-Führer gegen den Iran und hat Regierungschef (Benjamin) Netanjahu klargemacht, dass die USA an Israels Seite stehen, aber gegen eine Gegenattacke sind und an einer solchen sicherlich nicht teilnehmen würden.“

Die rechtsextremen Partner Netanjahus, von denen sein politisches Überleben abhängt, fordern dagegen eine harte Antwort auf den Angriff. „Die Verteidigung ist bisher beeindruckend – jetzt brauchen wir eine vernichtende Attacke“, schrieb Polizeiminister Itamar Ben-Gvir bei X, vormals Twitter. Es gibt allerdings auch moderatere Israelis, die einen Gegenschlag als notwendig ansehen, um die seit dem Terroranschlag vom 7. Oktober geschwächte Abschreckung Israels in der Region wiederherzustellen. (TT.com)

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