Das System Anna Pircher: Für eine Handvoll Gummibären
Die junge Zammerin Anna Pircher (13) verblüfft die Tennis-Szene. In der Damen-Bundesliga erfolgreich, zuletzt Siegerin eines internationalen U18-Turniers. Dahinter steckt kein Zufall, sondern ein Konzept.
Zams – „Ich hab’ nur Gummibären bekommen“, lacht Anna Pircher im TT-Telefonat auf die Frage nach dem Preisgeld. Ihr jüngster Sieg bei einem internationalen U18-Turnier in Wien würde wohl auch nicht weiter ins Gewicht fallen, wäre die Tirolerin nicht erst 13 Jahre alt. In der Jugendweltrangliste nimmt die Oberländerin einen Platz um 550 ein – ihre Laufbahn hat aber erst begonnen – und die Richtung soll steil nach oben führen.
Hinter dem System Anna Pircher stehen acht Leute, ein sechsstelliges Jahresbudget und die Idee, das Ganze – so lange wie notwendig – kindgerecht aufzuziehen: „Anna soll wie alle anderen Kinder in ihrem Alter normal aufwachsen“, erzählt Trainer und Manager Hannes König, selbst ehemaliger Bundesliga-Spieler und seit Pirchers 4. Lebensjahr an ihrer Seite. Mit Hotelier Wolfgang Mangold bringt er alljährlich die erforderliche Summe auf, um seinen Schützling behutsam an die Spitze heranzuführen.
„Mehr als zwei Stunden Tennis am Tag gibt es nicht“, hält König fest. Und unweigerlich wird man bei diesen Worten an das Schicksal des gefallenen Tennis-Starlets Jennifer Capriati oder an den Film „King Richard“ mit den beiden Williams-Schwestern erinnert. Genau das sucht man mit ergänzendem Athletik- und Mental-Training, Yoga und Physiotherapie zu vermeiden. Zu ihrem Stab gehört nicht zuletzt Christopher Schröck, Trainer von Norwegens Skistar Aleksander Aamodt Kilde.
Kein Zwang zum Weiterspielen
Ein Alltag in der NMS Landeck bleibt Pircher nicht erspart – das Ausnahme-Talent, schon seit drei Jahren in der Damen-Bundesliga erfolgreich, soll das Leben eines Teenagers führen. Vergleichbare Erfolge in so jungen Jahren konnte in Österreich kaum jemand verzeichnen, die derzeitige Nummer eins Julia Grabher in Ansätzen.
Von Waroschitz bis Socher
Tiroler Sporttalente mit der eingebauten Medaillen-Garantie
Dass es der jungen Oberländerin einmal zu viel werden könnte, glaubt ihr Trainer Hannes König nicht: „Anna ist darauf vorbereitet, seit ich sie mit viereinhalb Jahren übernahm.“ Seit zwei Jahren steht sie bei ihm und Partner Mangold unter Vertrag, was keinen Druck bedeuten soll: „Wenn Anna von heute auf morgen aufhören will, kann sie das.“ Rückforderung würde es keine geben, nur dürfte sie auf der Tennis-Tour ein Jahr nicht mehr auftauchen. Hintergrund: Sollte eines Tages eine Agentur mit viel Geld anklopfen, würden Mangold/König durch die Finger schauen. Früher hatte man auch den Tiroler Doppel-Spezialisten Alex Erler unter den Fittichen, doch die Vereinbarung endete.
Mit Anna Pircher hingegen soll es weitergehen – auch längerfristig. König nennt ihren größten Vorzug: „Sie hat früh gelernt, mit ihren Möglichkeiten ihr Maximum herauszuholen.“ Vielleicht auch bei einem der vier größeren ITF-Turniere, die man im späteren Saisonverlauf anstrebt. Dann geht es nämlich nicht mehr nur um Gummibären, sondern um 15.000 Dollar Preisgeld.