Schlacht um Aleppo: Assad-Regime und Iran warnen vor Einmischung
Das syrische Militär geht vehement gegen die Rebellen in der Millionenmetropole Aleppo vor. Noch halten sich die Aufständischen. Zivilisten sterben in den Kampfgebieten - auch Kinder. Wer kann, flieht.
Damaskus, Teheran – Aleppo im Kriegszustand: Die syrischen Regierungstruppen haben eine Großoffensive gegen die Rebellen in der Millionenmetropole gestartet und damit international Besorgnis ausgelöst. Unterstützt von Militärjets, Kampfhubschraubern und schwerer Artillerie rückten am Samstag im Morgengrauen Panzer und Soldaten gegen die Stellungen der aufständischen Freien Syrischen Armee (FSA) vor. Die Schlacht um das wirtschaftliche Zentrum des Landes gilt als bisher wichtigste Machtprobe für die Regierung, die große militärische Ressourcen in die Kämpfe um die beiden Metropolen, Aleppo im Norden und die Hauptstadt Damaskus, gesteckt hat.
Der Syrien-Sondervermittler Kofi Annan appellierte an die Konfliktparteien, jedes weitere Blutvergießen zu verhindern. Der französische Präsident François Hollande forderte den UN-Sicherheitsrat auf, so schnell wie möglich einzugreifen. In Jordanien, wohin sich derzeit täglich 2000 Syrer retten, öffnete ein Flüchtlingslager mit Platz für 140.000 Menschen.
Der oppositionelle Nationalrat drängte seine Unterstützer zum Handeln und warnte vor einem möglichen Massaker der Regimekräfte in Aleppo. Eine Intervention von mit den Rebellen sympathisierenden Staaten müsse jetzt auch ohne den UNO-Sicherheitsrat geschehen, in dem Russland und China ein härteres Vorgehen gegen die Regierung verhindern, sagte der Chef des Rates, Abdelbasset Sida. „Unsere Freunde und Alliierten werden die Verantwortung für das tragen, was in Aleppo passiert, sollten sie nicht zügig agieren.“
Irans Außenminister: Machtwechsel in Syrien eine „Illusion“
Der iranische und der syrische Außenminister sicherten einander inzwischen bei einem Treffen in Teheran gegenseitige Unterstützung zu. Die Idee eines Machtwechsels in Syrien sei eine „Illusion“, sagte der iranische Minister Ali-Akbar Salehi.
Die syrische Regierung werde die „Verschwörung“ gegen sie besiegen, sagte Salehi bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Syriens Außenminister Walid al-Muallem am Sonntag. „Das zionistische Regime (Israel) agiert als Drahtzieher und führender Provokateur dieses Komplotts“, erklärte Muallem. Der syrische Außenminister versicherte, seine Regierung werde die Rebellen im umkämpften Aleppo zurückschlagen. Zugleich hob er hervor, das Regime von Präsident Bashar al-Assad fühle sich weiterhin dem Friedensplan von UNO-Vermittler Kofi Annan verpflichtet.
Der iranische Außenminister warnte Katar, Saudi-Arabien und die Türkei davor, sich einzumischen. „Die Länder sollten sich der gefährlichen Folgen einer solchen Politik für die gesamte Region bewusst sein.“ Sie sollten auch nicht naiv sein und glauben, dass ein Regimewechsel in Syrien einfach zu erreichen sei.
Viele Tote in Kampfgebieten
Allein am Samstag wurden nach Angaben der oppositionellen Lokalen Koordinierungskomitees landesweit mindestens 160 Menschen getötet, davon mindestens 33 in Aleppo. Unter den Toten waren demnach auch mehr als 20 Kinder. Auch aus den Provinzen Damaskus-Land, Homs, Hama, Idlib und Daraa wurden Kämpfe gemeldet. In der Ortschaft Scheich Meskin (Provinz Daraa) sollen 21 Menschen getötet worden sein. Viele von ihnen seien hingemetzelt und ihre Leichen verbrannt worden, berichteten Aktivisten.
Mit Blick auf Aleppo berichteten die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London von der bisher schwersten militärischen Konfrontation in Syrien seit dem Beginn der Revolte gegen Machthaber Baschar al-Assad im März 2011. Trotz der Eskalation verbuchten die Regimetruppen bis zum Sonntagnachmittag keine nennenswerten Gebietsgewinne. „Unsere Positionen sind unverändert“, sagte Rebellenkommandeur Abu Omar al-Halebi der Deutschen Presse-Agentur.
Die Regimetruppen griffen die FSA-Stellungen das ganze Wochenende über in mehreren Bezirken Aleppos an. Dabei kamen auch Raketenwerfer und von Hubschraubern abgesetzte Luftlandetruppen zum Einsatz. Das staatliche syrische Fernsehen sprach von einer großangelegten „Operation zur Säuberung Aleppos von bewaffneten terroristischen Gruppen“.
ESA-Kommandos waren vor etwas mehr als einer Woche erstmals in Aleppo eingerückt. Die Geschäftsmetropole im Norden Syriens ist nur 50 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Die Aufständischen hatten mehrere Stadtbezirke, aber auch das Gebiet bis zur türkischen Grenze unter ihre Kontrolle gebracht.
Wegen der strategischen Bedeutung der Großstadt liegt dem Regime in Damaskus viel daran, die Rebellen von dort zu vertreiben. In den vergangenen Tagen hatte es Tausende Soldaten aus anderen Landesteilen zusammengezogen und vor Aleppo in Stellung gebracht. Aber auch die FSA verstärkte sich mit zusätzlichen Kämpfern, vor allem aus der Nachbarprovinz Idlib.
USA warnen Rebellen vor Zerschlagung der Armee
Die US-Regierung hat nach einem Bericht der „Washington Post“ syrische Rebellen davor gewarnt, nach einem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad staatliche Institutionen sowie die Armee vollständig zu zerschlagen. Dies könnte zu einem Machtvakuum sowie zu Gewalt und Chaos wie im Irak nach dem Fall von Saddam Hussein 2003 führen, berichtet das Blatt unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsbeamte.
Die Regierung habe zudem Oppositionsgruppen eindringlich geraten, sich nach einem Sieg über das Assad-Regime nicht zu religiös motivierten Vergeltungsmaßnahmen hinreißen zu lassen. Die Rebellengruppen sollten Lehren aus dem Irak ziehen, wo nach dem Fall Saddams blutige Gewalttaten und Anschläge das Land erschütterten.
Es dürfe in Syrien keine völlige Zerschlagung des Systems geben, zitiert das Blatt einen Beamten -“«weil die Institutionen während eines politischen Übergangs gebraucht werden“. Wie die Zeitung weiter schreibt, beschäftigt sich die Regierung in Washington „in zunehmend detaillierten Strategierunden“ mit der Frage eines Übergangs in Damaskus.
Bereits seit Tagen macht die Regierung klar, dass sie auf ein baldiges Ende Assads setzt. Zugleich warnte sie vor einem Massaker in Aleppo, wo sich derzeit eine Großoffensive von Regierungstruppen anbahnt. Sorge bereitet es in Washington auch, dass islamistische Extremisten sowie Al-Kaida-Terroristen ein Machtvakuum ausnutzen könnten. (dpa/Reuters/AFP)