Teuflisches Treiben in Moskau
Alexander Nitzberg ermöglicht mit seiner Neuübersetzung von Michail Bulgakows Sowjetsatire „Meister und Margarita“ ein magisches Lesevergnügen.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Es war wohl Marianne Faithfull, in den 60ern die Muse der Rolling Stones, die den ersten Beitrag zur weltweiten Verbreitung des Jahrhundertromans „Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow lieferte. 1967 schenkte sie ein Exemplar der eben erschienenen englischen Übersetzung Mick Jagger, der sich vom Text zu seinem Song „Sympathy For The Devil“ mehr als inspirieren ließ. Für die Studioaufnahmen hatten die Stones einen Vertrag mit Jean-Luc Godard für den Film „One plus One“ geschlossen, um der Rockgruppe einen Platz in der Halle des Ruhms der Nouvelle Vague zu sichern. Godard sagte: „Was ich vor allem will, ist: die Idee der Kultur zerstören. Kultur ist ein Alibi des Imperialismus.“ Das hörte sich im Mai 1968 gut an, doch der Film wurde ein Desaster. Godard verschwand für zwölf Jahre aus dem Kinobetrieb, der Song wurde ein Welthit und Bulgakows Roman zuerst einmal ein Kultbuch für Satanisten. Anschließend konnten auch die Liebhaber von Satire und Weltliteratur dieses begeisternde Werk entdecken.
Im gleichen Jahr, 1968, ein Jahr nach der englischen Übersetzung, erschien die deutsche Ausgabe von „Meister und Margarita“ im Luchterhand Verlag, allerdings fehlten 50 Seiten. Die Ausgabe entsprach der von der sowjetischen Zensur zugelassenen Fassung für die Zeitschrift Moskva, die den Roman 26 Jahre nach dem Tod des Autors veröffentlichen durfte. Diese Edition verdankte sich dem von Nikita Chrustschow ausgerufenen „Tauwetter“. Ein Jahr später wäre das Unternehmen schon wieder unmöglich geworden. Aber die Samisdat-Bewegung hatte einen neuen tragischen Helden, die Moskauer Schauplätze des Romans wurden zu Wallfahrtsorten. Erst 1986 durfte Bulgakow unter dem Glasnost-Schutzmantel in der Sowjetunion gelesen werden und 1993 gab es erstmals einen kompletten „Meister“ auf Deutsch. Mit der aktuellen Neuübersetzung des in Moskau geborenen und in Wien lebenden Alexander Nitzberg ist „Meister und Margarita“ allerdings neu zu entdecken.
Michail Bulgakow, 1891 in Kiew geboren, war ausgebildeter Arzt, stand jedoch bei der bolschewistischen Revolution auf der falschen Seite. Trotzdem konnte er in den 20er Jahren als Autor und Dramatiker in Moskau reüssieren, bis er 1929 mit einem Veröffentlichungsverbot belegt wurde. In diesem Jahr begann Bulgakow auch mit der Arbeit an seinem Hauptwerk, dessen letzte Fassung er 1940 – todkrank und erblindet – seiner Frau diktierte.
Es ist eine allegorische Abrechnung mit den Kultur- und Politfunktionären. Iwan, ein junger Autor, erhält den Auftrag, mit Jesus abzurechnen, doch der Redakteur Michail Alexandrowitsch Berlioz ist unzufrieden, denn Jesus sollte nicht nur unsympathisch sein, sondern gar nicht existieren. Sofort mischt sich ein Herr Woland, ein Ausländer, der eigentlich zu melden wäre, in die Debatte.
Es ist der Satan, der eben noch mit Kant gefrühstückt hat und plastisch von der Verhandlung des unter Migräne leidenden Pontius Pilatus gegen den Bürger Jeschua in Jerschalajim zu erzählen weiß. Während der Redakteur buchstäblich seinen Kopf verliert, muss Iwan mit dieser Geschichte in der Psychiatrie landen und bald werden Lastwagen benötigt, um die verwirrten Menschen in Anstalten zu bringen. Mit dem Riesenkater Behemoth, dem im Wiener Dialekt parlierenden Korowjew und Azazello bringt Woland die Anarchie nach Moskau. Die Lösung des Rätsels liegt in einem angeblich verbrannten Manuskript des „Meisters“, der in der Psychiatrie Iwan von seinem Pilatusroman und seiner Liebesgeschichte mit Margarita erzählt. Dagegen ist auch der Teufel machtlos.