DSDS-Casting in Innsbruck

Die Hoffnung stirbt zuerst

© Thomas Böhm / TT

„Man verkauft sich hier. Aber damit kann ich leben“: Auf Stippvisite beim DSDS-Casting, das erstmals auch in Innsbruck Station machte.

Von Christiane Fasching

Innsbruck –„Du bist DSDS“ steht in weißen Lettern auf dem blitzblauen Truck, der am Marktplatz parkt – und von Janine, Nadin­e und Bianca nicht aus den Augen gelassen wird. Das Trio ist gekommen, um zu schauen. Und im Idealfall ein bisschen über jene Leute abzulästern, die fürs Vorsingen anstehen – denn darum geht’s ja auch bei Deutschlands langlebigste­r Castingshow, in der Dieter Bohlen das Sagen und mehr oder minder talentierte Jung­spunde das Singen haben. „Am geilsten sind die Pannen“, tönt Janine – und lüftet die Sonnenbrille. Nur nichts versäumen, bloß immer die Augen offen halten, ja kein bekanntes Gesicht verpassen. Leicht ist das nicht, obwohl die Menge, die dem RTL-Ruf folgte, mehr als überschaubar ist. Doch die Jungs und Mädels, die DSDS sein wollen, sehen alle recht ähnlich aus. Frisurentechnisch dominiert der Undercut, auch zum Glätteisen wird gern gegriffen. Die Hosen hängen tief oder sitzen knalleng – und Leo­pardenprints gehen sowieso immer.

Apropos Raubtier. Wo ist eigentlich Dieter Bohlen? Vielleicht auf Mallorca, womöglich in Tötensen, mit Sicherheit nicht in Innsbruck. Ein Pop-Titan lässt vorcasten – und greift erst dann in die Sprüchekiste, wenn sich die Spreu vom Weizen getrennt hat, wenn Talente und Lachnummern herausgefiltert wurden. Diese Kombination kommt beim Publikum seit mehr als zehn Jahren an – früher allerdings besser als jetzt. Zuletzt litt die Show an Zuschauerschwund, kündigte RTL eine Rundumerneuerung an und machte sich Chef-Juror Bohlen für das Schlagerfach stark. Damit lässt sich immer Kohle machen.

Mit Schunkel-Sound hat Desirée nichts am Hut: Die Vorarlbergerin, die Beth Dittos Schwester sein könnte, hält sich selbst für eine „durchgeknallte Drecksau“ – und will mit rockigem Sound eine Rund­e weiter- und ans große Geld kommen. Deutschlands neuem Superstar winken neben einem Plattenvertrag nämlich auch 500.000 Euro. Ein Sümmchen, von dem die 22-Jährige nur träumen kann: Zurzeit jobbt sie als Kellnerin an einer Tankstelle und lebt ihre Leidenschaft für die Musik lediglich privat aus. „Das will ich sicher nicht mein Leben lang tun“, gibt sie zu Protokoll. Und spricht damit ihrem Landsmann Jürgen aus der Seele – auch der Kfz-Mechaniker will raus aus dem Alltagstrott und sich seine Brötchen ersingen. Sein Lampenfieber schiebt er weg. Wie die Tatsache, dass er gerade eine Erklärung unterschrieben hat, die vor kleingedruckten Akzeptanzen nur so strotzt. „Es ist schon klar: Man verkauft sich hier. Aber damit kann ich leben“, meint er schulterzuckend. Dass die bisherigen „Superstars“ mittlerweile durch Vorstadt-Discos oder Einkaufszentren jetten, ist Jürgen offenbar auch egal. Er geht eine rauchen. Irgendwie muss man die Zeit bis zum „kurzen Moment, der dein Leben verändert“ ja totschlagen.

Jubel brandet auf: Ein mit Gitarre bewaffnetes Mädel ist weitergekommen. Es sieht zumindest verdächtig danach aus. Vor dem Truck muss sie für ein Foto posieren, neben dem Truck jede Menge Papier­e unterschreiben, hinter dem Truck wird ihr euphorisch gratuliert. Das Vertrackte daran: Darüber sprechen darf sie nicht. Mit einem kryptischen „Wer weiß, wer weiß“ zieht sie von dannen. Kurz darauf dasselbe Szenario mit einem Burschen in rotem T-Shirt. Jubel, Foto, Zettel­haufen. Sein Abschiedsspruch: „Lasst euch überraschen.“ Ob das auch in den Verträgen steht?

Desirée und Jürgen ist der Maulkorb erspart geblieben: Sie sind nicht DSDS. Und trotzdem nicht am Boden zerstört. „Das ist nicht die Endstation. Es gibt immer einen Weg“, sind sie überzeugt. Das nächste Casting kommt bestimmt.