Tiroler Lärche in dreifacher Lage
Schindeldächer kennt man von Kirchen, Schutz- oder Almhütten und zunehmend findet man sie auch bei zeitgenössischer Architektur – manchmal sogar als Außenhaut des Gebäudes.
Von Ursula Philadelphy
Erpfendorf –Was macht die guten alten Holzschindeln so interessant? Man sieht sie ja auf fast allen Kirchendächern und Kapellen im ländlichen Bereich, auf denkmalgeschützten Häusern sowie auf den Dächern von Schlössern und Burgen. Wenn man mit dem Thema Schindeldach im Kopf durchs Land fährt, wird man an allen Ecken und Enden fündig. Zunehmend übrigens auch im Bereich der zeitgenössischen Architektur, die offensichtlich nicht so traditionsabhold ist, wie es manchmal den Anschein hat. Ein Beispiel dafür ist das Sportzentrum in Kitzbühel, das eine Fassade aus Schindeln hat.
In Reith im Alpbachtal gibt es ein Holzschindeldeckerduo – Raimund Moser und Hansjörg Konvicka –, das auf das Decken von Steildächern spezialisiert ist. Aktuell ist es gerade die Kirche St. Barbara in Erpfendorf, die zwischen 1954 und 1957 von niemand Geringerem gebaut wurde als von Clemens Holzmeister. In schwindelerregender Höhe hängen die beiden, gut gesichert, mit Knieschonern geschützt, wie man sie normalerweise beim Inlineskaten verwendet, oben am Dach. Zuerst gilt es, die alten, verwitterten Schindeln Reihe für Reihe herunterzureißen und die dann herausstehenden Nägel in die Deckenschalung hineinzuschlagen, denn darauf kommen die neuen Schindeln. Alles ist reine Handarbeit. Bei steilen Dächern sind es die so genannten Scharschindeln, die genagelt werden – im Gegensatz zu den Legschindeln bei flacheren Dächern, die man nur legt und dann mit Stangen und Steinen beschwert. Bei den Schindeln gibt es auch unterschiedliche Längen, denn die Legschindeln werden zweilagig verlegt, können also kürzer sein, während die Scharschindeln 38 Zentimeter lang sind und dreilagig verlegt werden, wobei der Reihenabstand 12 Zentimeter beträgt. Das heißt, man fängt unten mit einer dreifachen Lage Schindeln an und arbeitet sich dann Reihe für Reihe in die Höhe.
Moser und Konvicka arbeiten schon seit 1989 zusammen auf den steilsten Dächern im ganzen Land. „Am Spitz hat man eine gute Aussicht“, meint Moser und für beide ist es schon längst „eine Gewohnheitssache und wenn man ein paar Tage oben am Dach ist, dann ist es, wie wenn man am Boden arbeitet.“ „Die Sicherung muss passen“, das ist beiden wichtig und dafür gibt es auch Normen und ganz spezielle Geräte. Angefangen haben sie übrigens als Zimmerer, bevor sie sich selbstständig machten und eben auf Steildächer spezialisierten, was aber nicht heißt, dass nicht auch einmal im Sommer eine Almhütte anstehen kann.
Der große Vorteil von Holzschindeln ist ihre Qualität. Für einen Quadratmeter Dachfläche braucht man, abhängig von der Schindelbreite, zirka 100 Schindeln, die mit feuerverzinkten Nägeln – je zwei pro Schindel – auf der Deckenschalung befestigt werden. Die Schindeln beziehen Moser und Konvicka von einem kleinen Betrieb wie „es einige in Tirol gibt, die sich auf die Schindelerzeugung spezialisiert haben“, so Moser. Da die Schindeln aus unbehandelter Lärche sind und einen hohen Harzgehalt haben, sind sie sehr witterungsbeständig. Im Klartext heißt das, dass so ein Dach 45 bis 50 Jahre überdauert. Die Haltbarkeit richtet sich erstens nach der Dachneigung – je steiler, desto länger hält es –, wofür es die Formel gibt: ein Grad Dachneigung = ein Jahr. Die Kirche in Erpfendorf hat eine Dachneigung von etwa 50 Grad, das Dach wird also doch sehr lange halten. Wichtig für die Haltbarkeit ist aber auch, ob es die Sonnenseite oder Schattseite ist. „Die Sonnenseite hält weniger lang, denn die Sonne reißt die Holzoberfläche etwas auf und dadurch verwittert es schneller als auf der Schattseite“, erklärt der Fachmann. Nicht zuletzt ist die Frage der Haltbarkeit aber auch von der Höhenlage abhängig. Auf 2000 Metern Seehöhe hält so ein Dach länger als im Tal.