Normalität im Ausnahmezustand
Zwei Jahre lang haben Robert Gander und Richard Günter Wett die 18 Asylwerberheime in Tirol gefilmt, fotografiert und ihre Bewohner interviewt. Das Ergebnis ihrer Recherche – zu sehen bei styleconception in Innsbruck – ist ebenso beschämend wie hoffnungsvoll.
Von Edith Schlocker
In Imst ist es eine ehemalige Kaserne, in Kössen ein Gasthaus, in Scharnitz eine frühere Bäckerei, in Hall eine Containersiedlung, in der in Österreich politisches Asyl Suchende untergebracht sind. 19 solcher Warteräume für ein erhofftes menschenwürdiges Leben gibt es in Tirol. Zwei Jahre lang haben sich der Fotograf Günter Richard Wett und der Videofilmer Robert Gander auf visuelle Recherche begeben, um die Wohnsituationen der Flüchtlinge zu erkunden, ihre unterschiedlichsten Aneignungsstrategien zu dokumentieren, sie selbst zu Wort kommen zu lassen.
Wobei am besten die ganze Problematik dieser verordneten Unterbringung auf Zeit zum Ausdruck kommt. Wenn etwa ein junger Afghane beklagt, dass er so weit entfernt von den Menschen vor Ort leben müsse, kaum die Chance habe, mit ihnen zu sprechen und schon gar nicht mit ihnen zusammenzuleben. Denn viele der Asylwerberheime sind weitab vom Schuss. Werden auf diese Weise zu so etwas wie Ghettos, mit allen Problemen der Segregation inklusive. Verstärkt wird die Problematik noch durch die Tatsache, dass es den Asylwerbern verboten ist, zu arbeiten. Wie der studierte Informatiker Kiin Hassan aus Somalia, der so gerne sein Wissen sinnvoll in die Gesellschaft einbringen würde.
Sieht man sich die von Wett und Gander gemachten Bilder an, begreift man, wie schwierig das Leben als Asylwerber sein muss. Mehrere Menschen völlig unterschiedlicher Herkunft und Charakters müssen sich ein Zimmer teilen und dies oft mehrere Jahre lang. In trostlosen, oft abgewirtschafteten Unterkünften, die ihre besten Zeiten längst hinter sich haben. Was das Warten auch nicht erträglicher macht.
Reizvoll zeigen die Bilder aber auch die Versuche der Bewohner, es sich in nicht mehr gebrauchten Schulen, Gasthäusern, Wohnhäusern oder Containern einigermaßen gemütlich einzurichten. Und das mit minimalen finanziellen Mitteln. Sich ein kleines Stückchen Heimat zu erschaffen als Ersatz für eine, in der die Asylwerber keine Zukunft für sich und ihre Kinder gesehen haben. Oder existenziell in ihrem Überleben bedroht waren.
Trotz aller Enge und Schäbigkeit entsteht auf diese Weise so etwas wie Normalität. Hängt eine Schaukel im trostlosen Hinterhof, sind die Betten, die am Tag zum Sofa werden, mit Blümchendecken kaschiert. Ist auf dem Teppich einer vierköpfigen Asylwerberfamilie „Herzlich Willkommen“ geschrieben. Im Turnsaal einer früheren Schule steht in einer Ecke ein Hometrainer, auf den Boden haben die offensichtlich muslimischen Bewohner des Heims ihre Gebetsteppiche gelegt. Aber auch Spuren der früheren Bewohner finden sind noch da und dort. Etwa eine Kuckucksuhr neben einem idyllischen Seestück. Um das wahrscheinlich eine Asylwerberin eine Federboa gehängt hat.
Robert Ganders und Günter Richard Wetts „Warteräume“ sind vom 8. bis 15. November bei styleconception, Mentlgasse 12b in Innsbruck zu sehen. Vernissage ist am 7. November um 20.30 Uhr.