Die gläserne Küche: Allergiker bekommen mehr Infos
In Restaurants müssen künftig 14 Allergie-Stoffe bekannt gegeben werden. Gastronomen und Ärzte reagieren darauf allergisch. Eine praktikable Lösung ist in Sicht.
Von Deborah Darnhofer
Innsbruck –Statt des Menüs könnte vom Kellner künftig eine Litanei über allergieauslösende Stoffe aufgesagt werden: Mit der neuen EU-Verordnung zur Lebensmittelinformation müssen ab Dezember diesen Jahres 14 so genannte Allergene in Gasthäusern und Restaurants angegeben werden. Unverpackte Speisen, die Ei, Milch, glutenhaltiges Getreide, Soja, Lupine, Sellerie, Nüsse, Senf, Sesam, Fisch, Krebs- und Weichtiere, Schwefeldioxid und Sulfite enthalten, müssen ausgewiesen sein. Aus Speisekarten könnten Bibeln werden, wurde von den Gastronomen befürchtet.
Nun hat das Gesundheitsministerium „zur mildesten Lösung gegriffen, die machbar ist“, berichtet Pressesprecherin Lisa Fuchs. Gastronomie-Betreiber – „vom Würstelstand bis zum Haubenlokal“ – sollen einen Experten ausweisen, an den sich Gäste mit Allergien wenden können und der über die verwendeten Zutaten genau Bescheid weiß. Der Gesetzesentwurf ist bis 22. April in Begutachtung und soll dann in ein Gesetz gegossen werden.
Die Tiroler Gastronomen fürchten durch die Verordnung mehr Aufwand, mehr Bevormundung seitens der EU und statt Sicherheit mehr Unsicherheit bei ihren Kunden. „Wir haben von der EU ein Häubchen über den Kopf gestülpt bekommen. Für uns ist es eine zusätzliche Bürokratie“, erklärt Josef Hackl, Obmann der Gastronomie in der Wirtschaftskammer Tirol. Die heimischen Wirte würden vor allem mit Regionalität punkten, „da wird es schwierig, wenn alles genau angegeben werden muss“.
In dieselbe Kerbe schlägt die Innsbrucker Restaurantbesitzerin Andrea Cammerlander. „Für die Gastronomen bedeutet es auf jeden Fall mehr Aufwand. Grundsätzlich ist es aber wichtig, auf Allergien einzugehen.“ Immer mehr Gäste würden sich nämlich mit Allergien bei den Kellnern melden. Für die Krankheit noch mehr Bewusstsein zu schaffen, ist für Cammerlander ein positiver Aspekt der EU-Verordnung.
Gunter Sturm, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Allergologie der Dermatologen, steht dem skeptisch gegenüber. „Wenn man sieht, wie viele betroffen sind und welchen Aufwand das erzeugt, ist das zu hinterfragen.“ Die Verordnung führe eher zur Verunsicherung, „weil viele glauben, sie haben eine Lebensmittelallergie“. Allergiker würden allerdings nur einen Promilleteil der Bevölkerung ausmachen. „Viele glauben, eine Allergie zu haben. Wirklich betroffen sind davon nur wenige.“ Nina Rettenbacher vom Innsbrucker Crumble wiederum plädiert für mehr Kommunikation. „Es ist eine Frage des Könnens und Wollens. Wenn mir jemand sagt, er hat eine Allergie, kann ich ihm etwas anbieten und darauf eingehen.“ WK-Obmann Hackl glaubt auch an die Mündigkeit der Gäste. „Mündliche Informationen sind machbar, weil auch Gäste mündig genug sind und auf ihre Allergien hinweisen. Dann hat die Verordnung einen Zweck.“ Laut Ministerium würden Allergie-Selbsthilfegruppen das ähnlich sehen und die geplante Umsetzung der EU-Verordnung ebenfalls befürworten.
14 Lebensmittel:
- glutenhaltiges Getreide (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut oder Hybridstämme)
- Krebstiere
- Eier
- Fische
- Erdnüsse
- Sojabohnen
- Schalenfrüchte (Mandeln, Haselnüsse, Walnüsse, Cashewnüsse, Pecannüsse, Paranüsse, Pistazien, Macadamianüsse)
- Sellerie
- Senf
- Sesamsamen
- Schwefeldioxid und Sulphite (in Konzentrationen von mehr als 10mg/kg bzw. 10mg/l als insgesamt vorhandenes SO2)
- Lupine
- Weichtiere
- alle aus diesen Stoffen gewonnenen Erzeugnisse