Rassisten sind die anderen
Philippe de Chauveron spielt in seiner Erfolgskomödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ mit Vorurteilen, Fremdenfeindlichkeit und französischen Klischees.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Claude Verneuil (Christian Clavier) ist Notar im Provinzstädtchen Chino im Loire-Tal. Mit seiner frommen Frau Marie (Chantal Lauby) bewohnt er eine in einem weitläufigen Park liegende Villa, fast ein Chateau. Die Idylle ist allerdings eine ferne Erinnerung, denn den Bourgeois verfolgen seit fünf Jahren biblische Schicksalsschläge, die der Film im Zeitraffer als Vorspiel illustriert. Begonnen hat das Unglück mit der Übersiedlung seiner Töchter zu Studienzwecken nach Paris. In der Metropole der Sünde hat sich Ségolène (Emilie Caen) für den Chinesen Chao (Frédéric Chau) entschieden. Tochter Isabelle (Frédérique Bel) ist seit vier Jahren mit dem Muslim Rachid (Medi Sadoun) verheiratet.
Die Erzählung kommt in der Jetztzeit an, als sich die Verneuils auf den Weg machen, um bei einem Rabbi dem Beschneidungsritual ihres Enkels beizuwohnen. Claude bringt seine Frau mit einem Bericht einer Genitalverstümmelung mit rostigen Rasierklingen in Mali zum Erzittern, für seine Tochter Odile (Julia Piaton) und deren jüdischen Ehemann David (Ary Abittan) ist Claude – bei allem Respekt – ein Rassist. Diese Unterstellung verbittet sich der Notar: „Ich bin kein Rassist, ich bin Gaullist!“ Daher konzentrieren sich alle Hoffnungen auf die Lebensentscheidung der jüngsten und schönsten Tochter Laure (Elodie Fontan), die als Juristin beim Fernsehen arbeitet. Die Verneuils wünschen sich endlich einen katholischen Schwiegersohn und – Laure kann liefern.
KINO-TIPP
„Monsieur Claude und seine Töchter“: Ab Freitag, 25. Juli im Kino (ab 6 Jahren).
In Frankreich war „Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?“ („Was haben wir dem lieben Gott getan?“) der Blockbuster der Saison (elf Millionen Besucher seit April), der deutsche Titel „Monsieur Claude und seine Töchter“ erinnert daran, dass verzweifelte Gebete nur noch im laizistischen Frankreich erhört werden. Als Publikumsphänomen ist der Film nur mit „Ziemlich beste Freunde“ (2011) vergleichbar, da auch Philippe de Chauverons Komödie mit Vorurteilen und französischen Klischees spielt und den Kinogehern zugleich mit einem dramaturgischen Kniff entgegenkommt. Rassisten, das sind immer die anderen. 25 Prozent der Franzosen haben zuletzt bei den Europawahlen für den Front National gestimmt, anschließend wurde eine FN-Politikerin zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie sich eine (farbige) Ministerin zurück auf die Bäume gewünscht hatte. Ähnliche rassistische Entgleisungen sind bei „Monsieur Claude“ das Salz der Komik.
Kaum hat man sich bei den Verneuils mit dem Migrationshintergrund der Schwiegersöhne arrangiert, zu Weihnachten gibt es drei Puten (chinesisch, halal und koscher), präsentiert Laure ihren Verlobten. Charles (Noom Diawara) ist katholisch, aber schwarz. Monsieur Claude greift zur Kettensäge, um sich an den unschuldigen Bäumen in seinem Park zu rächen, Marie sucht Beistand in den Angeboten der Kirche. Plötzlich zeigen aber auch Chinese, Jude und Moslem das wahre Gesicht der Fremdenfeindlichkeit, da der Schauspieler aus dem Senegal die mutig installierte Migrationskonstruktion der Familie zum Einsturz bringen könnte. Sie verwenden die Metapher des Kuchens, von dem sich der freche Farbige ein Stück abschneiden möchte. Allerdings erkennen sich Claudes Töchter als Kuchenzutaten in dieser Metapher nicht wieder. Die entscheidende Prüfung ist die Kenntnis kultureller Werte. Mit dem Absingen der Nationalhymne rühren die Schwiegersöhne Monsieur Claude zu Tränen. Wie so oft ist die „Marseillaise“ die Rettung aus der Malaise. Glücklicherweise gibt es in Frankreich nur eine Textversion.