Gesellschaft

Der Spagat um die Geschiedenen

253 Bischöfe, Theologen und Laien beraten ab Sonntag in Rom, ob und wie die Kirche ihr Familienbild ändern soll. Der Papst ließ die Erwartungen steigen. Kardinal Schönborn sucht einen Ausweg im „theologischen Krieg“.

Von Wolfgang Sablatnig

Rom, Wien –Die Diskussion, die sich Franziskus wünscht, ist bereits entbrannt – wenn auch vielleicht nicht ganz so, wie vom Papst beabsichtigt: In einem Buch, das dieser Tag­e erscheint, lehnen fünf einflussreiche Kardinäl­e jedes Entgegenkommen der katholischen Kirche gegenüber Geschiedenen ab. Ab Sonntag steht diese Frage in Rom auf der Tagesordnung einer zweiwöchigen Bischofssynod­e zum Thema Familie. Der Papst hat immer wieder klargemacht, dass er sich eine Öffnung wünscht. 2000 Jahr­e Kirchengeschichte lassen sich freilich nicht mit einem Federstrich oder einer Synode beiseitewischen. Und so versuchte der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn gestern, die Erwartungen zu relativieren. Schönborn: „Wir werden das Evangelium nicht umschreiben. Aber der Papst ermahnt uns hinzuschauen.“

Der Kardinal ist als Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz einer von 253 Teilnehmern der Synod­e. Der Papst selbst habe die Familie zum Thema des Treffens gemacht, erinnerte er. Der erste Schritt sei der Bestandsaufnahme gewidmet. Den Konsequenzen daraus wollen sich die Bischöfe erst im kommenden Jahr bei der nächsten regulären Sitzung der Synode widmen.

Der Wiener Erzbischof hat dennoch eine sehr konkrete Vorstellung, wie die Kirche auf die Vielfalt der Lebensentwürfe reagieren kann, ohn­e ihre Lehre über Ehe und Familie aufgeben zu müssen. Die eingängige Formulierung Schönborns: „Es gibt die Lehr­e. Und es gibt die Barmherzigkeit. Du kannst aber nicht die Barmherzigkeit an die Stelle der Lehre setzen.“ So habe auch Jesus gehandelt, als er die Ehebrecherin nicht verurteilt habe, sie aber auch aufgefordert habe, nicht mehr zu sündigen.

In seiner theologischen Argumentation beruft sich der Kardinal auf das Zweite Vatikanische Konzil, das einen möglichen „Schlüssel“ anbiete. Das Konzil habe festgestellt, dass Kirche nur in der katholischen Kirche voll verwirklicht sei, es aber auch außerhalb dieser Kirche viele „Elemente der Wahrheit und der Heiligung“ gebe. Entsprechend gebe es „Teilverwirklichungen der vollen Ehe“, mit denen die Kirche umzugehen lernen müsse.

Am Ideal und Sakrament der Ehe könne die Kirche aber nicht rütteln, betonte der Kardinal: „Die Lehre der Kirche ist ja nicht etwas, das die Kirche frei erfunden hat, sondern es geht auf Christus zurück. Und es gibt wenige Punkte, zu denen er so klar gesprochen hat: ,Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen.‘“

Der Papst selbst hat die Erwartungen an die Synode und das Folgetreffen hochgetrieben – ganz grundsätzlich mit seinen Auftritten und Predigten, in denen er kirchliche Traditionen und Dogmen aufwirbelte, aber auch sehr konkret, indem er den emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper mit einer Grundsatzrede zu Ehe und Familie beauftragte. Kasper wünschte sich eine „barmherzige Lösung“; kein Aufgeben des katholischen Ehe-Ideals, aber eine Öffnung in Einzelfällen.

Ähnlich argumentierte zuletzt der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheue­r im Gespräch mit der TT. Er hofft, dass die Synode das prinzipielle Verbot der Kommunion für wiederverheiratet­e Geschiedene überwinden könne – nicht im Sinne einer Generalabsolution, sondern unter der Voraussetzung von Verzeihung und Versöhnung der Betroffenen.

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Als Aufforderung zur Öffnung kann auch verstanden werden, dass der Papst persönlich Mitte September 20 Paare traute – darunter solche, die schon lange unverheiratet zusammengelebt hatten.

Die Sitzung der Synode findet nach einem neuen Modus statt, der erstmals eine echte Diskussion unter den Bischöfen ermöglichen soll. Stoff dafür werden die Teilnehmer genug haben. Wortführer der konservativen Fraktion sind fünf Kardinäle, darunter der einflussreiche Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller. Ihr Standpunkt, der morgen in Italien und den USA in Buchform erscheint, ist klar: Die katholische Lehr­e lasse keinen Spielraum für Änderungen im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Das Buch gilt als erster öffentlicher Kontrapunkt gegen den Kurs von Franziskus.

Wie tief die innerkirchlichen Gräben sind, zeigt die Reaktion von Kardinal Kasper auf das Buch. „In der nächsten Synode wollen einige einen theologischen Krieg auslösen“, warnte er in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung Il Mattino.

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