Bolivien wählt am 12. Oktober neuen alten Präsidenten

La Paz/Wien (APA) - In einer Woche wählen die Bolivianer Präsident und Parlament. Schon heute steht fest, dass der alte auch der neue Staats...

La Paz/Wien (APA) - In einer Woche wählen die Bolivianer Präsident und Parlament. Schon heute steht fest, dass der alte auch der neue Staatschef sein wird. Der Linkspopulist Evo Morales verlor in Umfragen zuletzt zwar leicht, hält aber weiter bei einem Vorsprung von 35 Prozent gegenüber seinem stärksten Herausforderer. Grund dafür sind starke Wirtschaftsdaten und nicht zuletzt eine nie gekannte politische Stabilität.

Nach seinem Ausscheiden aus der Politik würde er gerne als Kellner in einem gemeinsam mit sozialistischen Bürgermeistern eröffneten Restaurant arbeiten, erklärte Morales kürzlich in einem Interview mit „El Deber“, der größten Tageszeitung des Landes. Bezeichnend ist, dass der Präsident dabei nicht von der näheren Zukunft sprach, sondern von der Zeit nach 2020, wenn sein drittes Mandat auslaufen würde, das er am 12. Oktober erst noch erringen muss.

Glaubt man den Wahlergebnissen, hat der Politiker des Movimiento al Socialismo (MAS, Bewegung zum Sozialismus) seine Popularität in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut: 2005 wählten ihn 54 Prozent der Bolivianer, 2009 bereits 64 Prozent und für 2014 strebt Morales gar 74 Prozent der Stimmen an. Eine vor wenigen Tagen vom Magazin „Poder y Placer“ publizierte Umfrage sieht ihn bei 52,5 Prozent, seinen wichtigsten Herausforderer Samuel Doria Medina von der rechtskonservativen Unidad Democrata (UD, Demokratische Einheit) weit abgeschlagen bei 16,7 Prozent.

Die hohe Zustimmungsrate verdanke der Linkspopulist auch seiner bevorzugten Stellung in den Medien des Landes, wirft ihm die Opposition vor. Seit Jahren verschwende die bolivianische Regierung Millionen an Steuergeldern, um unter dem Deckmantel offizieller Informationskampagnen Wahlkampfwerbung für Morales zu betreiben, monierte Medina kürzlich gegenüber der argentinischen Tageszeitung „La Nacion“. Die Oberste Wahlaufsichtsbehörde, die eigentlich über das bis zu einem Monat vor dem Urnengang geltende Wahlwerbeverbot wachen solle, stünde klar aufseiten der MAS. „Bis zu 60 Mal haben sie (MAS, Anm.) gegen uns gerichtete TV-Spots ausstrahlen lassen, und als wir darauf antworten wollten, hat die Wahlbehörde es verboten.“

Zudem sehen Oppositionsparteien bereits in der Kandidatur Morales‘ einen Verfassungsbruch, beschränkt das Gesetz doch die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Mandate. Für die MAS zählt hingegen Morales‘ erste Amtszeit zwischen 2006 und 2009 nicht, da diese in die Zeit vor der Verabschiedung der heute gültigen Verfassung fiel. Eine Argumentation, der im vergangenen Jahr auch der Oberste Gerichtshof Boliviens folgte.

Beobachter schreiben den Erfolg des amtierenden Präsidenten aber auch einer seit langem nicht mehr gekannten politischen Stabilität und den ausgezeichneten Wirtschaftsdaten Boliviens zu. Zwar zählt das Land weiterhin zu den ärmsten des Kontinents. Zwischen Morales‘ Amtsantritt 2005 und 2011 hat sich das Bruttoinlandsprodukt jedoch verdoppelt und für 2014 prophezeit die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) Bolivien mit 5,5 Prozent die höchste Wachstumsrate Südamerikas.

Angetrieben wird die bolivianische Wirtschaft vor allem von der unter Morales verstaatlichten Erdgasindustrie, die rund 40 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes ausmacht. Die Erträge flossen zuletzt auch in ein knapp 200 Mio. Euro schweres Seilbahnprojekt der Vorarlberger Firma Doppelmayr in der Hauptstadt La Paz, das die österreichischen Exporte im ersten Halbjahr 2014 um fast 900 Prozent auf 42,88 Mio. steigen ließ, sagt der österreichische Außenhandelsdelegierte für Bolivien, Wolfgang Köstinger.

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Wohl auch vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Interessen gestaltete sich das Verhältnis zwischen Bolivien und Österreich zuletzt äußerst freundlich. Als Spanien, Italien, Frankreich und Portugal der Privatmaschine Morales‘ im Juli 2013 aufgrund der vermuteten Anwesenheit von NSA-Aufdecker Edward Snowden an Bord den Überflug verweigert, ließ Österreich den Jet landen. Das Gerücht bestätigte sich nicht. Morales nannte Bundespräsident Heinz Fischer, der ihn damals am Flughafen besuchte, später seinen „Lebensretter“. Auch aufgrund dieser Zwischenlandung habe Österreich in Bolivien heute einen sehr guten Ruf, sagt Köstinger. Im Rahmen der UN-Generalversammlung trafen sich die beiden Staatsoberhäupter erst vergangene Woche wieder in New York.

Außenpolitisch reiht sich der ehemalige Koka-Bauer, der sich immer wieder als Kämpfer für die benachteiligte Indio-Minderheit und die verarmten Kleinbauern seines Landes präsentiert, sonst eher in die Reihe lateinamerikanischer Linkspopulisten ein. Er unterhält beste Verbindungen zu Venezuela, Kuba und Ecuador, sogar den umstrittenen früheren iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad empfing er offiziell in La Paz. Die USA bezichtigte er hingegen wiederholt des Imperialismus, Präsident Barack Obama nannte er kürzlich einen „Kriegsverbrecher“. Die diplomatischen Beziehungen mit Israel, das Morales zuletzt als „terroristischer Staat“ bezeichnete, brach Bolivien bereits im Zuge des Gazakrieges 2009 ab.

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