Julia Pierson: Secret-Service-Chefin stolperte über Sicherheitspannen
Washington (APA/AFP) - US-Präsident Barack Obama war voller Lob für Julia Pierson, als er sie im März 2013 zur Chefin des Secret Service bef...
Washington (APA/AFP) - US-Präsident Barack Obama war voller Lob für Julia Pierson, als er sie im März 2013 zur Chefin des Secret Service beförderte. Pierson rückte als erste Frau überhaupt an die Spitze der männlich dominierten Elitetruppe, die für den Schutz des Präsidenten, seiner Familie und anderer Würdenträger verantwortlich ist. Wegen mehrerer Sicherheitspannen musste sie am Mittwoch ihren Hut nehmen.
„Außerordentlich qualifiziert“ sei Pierson, hatte Obama bei der Ernennung Piersons gesagt. Umso fassungsloser nahmen die Verantwortlichen in Washington zur Kenntnis, wie am 19. September eines der ausgeklügeltsten Sicherheitssysteme der Welt versagte. Der Irak-Kriegs-Veteran Omar Gonzalez kletterte an jenem Freitagabend mit einem Klappmesser bewaffnet über den Sicherheitszaun am Weißen Haus, sprintete mehr als 60 Meter über die Rasenfläche und schaffte es bis weit in die repräsentativen Räume der Präsidentenresidenz. Nur wenige Minuten zuvor hatte Obama das Gelände per Hubschrauber verlassen und war mit seinen Töchtern ins Wochenende geflogen.
Bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus am Dienstag bohrten die Abgeordneten bei Pierson nach: Warum war die Tür des Weißen Hauses nicht verschlossen? Wo blieben die Wachhunde? Wieso griffen die Scharfschützen nicht ein? „Auf unerklärliche Weise hat Omar Gonzalez mindestens fünf Sicherheitskreise durchbrochen“, sagte der Republikaner Darrell Issa. Pierson hörte den Kritikern zerknirscht zu und nannte es „inakzeptabel“, dass jemand einfach so in den Präsidentensitz stürmen könne. „Ich übernehme die volle Verantwortung, und es wird nie wieder passieren“, versprach sie.
Mit ihrem Auftritt vor den Parlamentariern konnte Pierson die Wogen nicht glätten, im Gegenteil. Die „Washington Post“ warf ihr vor, „bürokratische Phrasen“ von sich gegeben zu haben und das Ausmaß der Probleme zu verschleiern. Die „New York Times“ beklagte gar den „Kollaps des Secret Service“. Dazu kam die neue Enthüllung, dass ein bewaffneter und vorbestrafter Mitarbeiter eines privaten Wachdienstes vor zwei Wochen bei einem Obama-Besuch in Atlanta mit dem Präsidenten im Aufzug gefahren sein soll.
Die 55-jährige Pierson war seit mehr als drei Jahrzehnten für die Leibgarde der Präsidenten tätig. Ihre Karriere als Spezialagentin begann sie einst in der Außenstelle Miami. Zuvor hatte sie an der University of Central Florida studiert und als Polizeibeamtin gearbeitet. Von 1988 bis 1992 gehörte sie zum Personenschutz des damaligen Präsidenten George H.W. Bush an, danach stieg sie in die Führungsebene auf. Pierson war Stabschefin des Secret Service, als Obama ihr den Topjob anbot.
Der Ruf der Einheit war zu diesem Zeitpunkt wegen eines Sexskandals bereits arg ramponiert. Spezialagenten sollen im April 2012 Prostituierte in ihr Hotel im kolumbianischen Cartagena eingeladen haben, während sie eigentlich die Teilnahme Obamas an einem Gipfeltreffen vorbereiten sollten. Außerdem gab es Berichte über Trinkgelage. Pierson könnte einen Kulturwandel bei der „Testosterontruppe“ einleiten - so lautete die Hoffnung.
Die „Washington Post“ berichtete damals, dass die Wahl Piersons intern auch auf Unmut gestoßen sei. Die neue Chefin besitze relativ wenig Vor-Ort-Erfahrung beim Schutz von Würdenträgern und habe den Großteil ihrer Laufbahn in der Verwaltung verbracht. „Sie hat nicht ihre Zeit im Schützengraben gemacht“, zitierte die Zeitung einen Agenten. „Sie war meist am Schreibtisch.“
Mit dem Rücktritt sehen sich Piersons Kritiker nun bestätigt, auch wenn einige der aufgedeckten Pannen gar nicht in ihre Amtszeit fallen. Im Jahr 2011 etwa benötigte der Secret Service mehrere Tage, um festzustellen, dass ein Mann sieben Schüsse auf das Weiße Haus abgegeben hatte. Bei der Nachfolge setzt Heimatschutzminister Jeh Johnson auf ein erprobtes Kaliber: Interimschef Joseph Clancy leitete bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2011 beim Secret Service den Personenschutz für den Präsidenten.
(Aktualisierte Fassung des PORTRÄTs von 15.16 Uhr, NEU: Rücktritt Piersons)