Ukraine - Expertin: Mangelnde Bemühungen bei Korruptionsbekämpfung
Kiew (APA) - Bloß ein einziges gegen Korruption gerichtetes Gesetz habe das ukrainische Parlament zuletzt beschlossen und Strafverfolgern fe...
Kiew (APA) - Bloß ein einziges gegen Korruption gerichtetes Gesetz habe das ukrainische Parlament zuletzt beschlossen und Strafverfolgern fehle es an Kompetenz, beklagt Darja Kalenjuk. Die Leiterin der Nichtregierungsorganisation „Zentrum für die Bekämpfung von Korruption“ in Kiew fordert im APA-Gespräch, dass Kreditvergaben an ihr Land an die Umsetzung einschlägiger Reformen gekoppelt werden sollten.
Die jüngste große Niederlage im Kampf gegen die Korruption hatte es am 16. September gegeben, am Tag der Ratifizierung des EU-Assoziierungsabkommens: Trotz der expliziten Aufforderung von Präsidenten Petro Poroschenko und eines flammenden Appells von Justizminister Pawlo Petrenko fiel jener Gesetzesentwurf durch, mit dem ein unabhängiges Antikorruptionsbüro hätte geschaffen werden sollen. Nur 218 von 226 erforderlichen Abgeordneten votierten für den Entwurf, 24 anwesende Parlamentarier enthielten sich und nahezu 200 Volksvertreter waren der Abstimmung gar ferngeblieben.
„Lediglich Korruptionisten können gegen ein Antikorruptionsbüro sein“, kritisiert Kalenjuk. Es sei offensichtlich, dass es derzeit zu viele Parlamentarier gebe, denen eine solche Institution persönlich schaden könnte. Dazu würden auch Abgeordnete wie Serhij Kljujew (Sergej Klujew) gehören, die sich derzeit auf Sanktionslisten der Europäischen Union befindet. Kljujews Vermögen in Österreich wurde im März aufgrund von EU-Sanktionen eingefroren, der Abgeordnete selbst war den letzten Sitzungen der Werchowna Rada ferngeblieben.
Die Einrichtung eines Antikorruptionsbüros, so berichtet Kalenjuk, sei jedoch eine Vorbedingung dafür gewesen, dass die Ukraine Kredite vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union bekomme: „An Stelle dieser internationalen Institutionen würde ich kein Geld mehr geben, solange dieses Bedingung nicht erfüllt ist.“ Bei der nächsten Parlamentssitzung am 14. Oktober gebe es jedoch eine weitere Möglichkeit, das Gesetz zu beschließen.
Insgesamt spricht die Expertin von einem einzigen wirklichen Erfolg der vergangenen Monate: „Aufgrund heftigen Drucks der Europäischen Union, des Weltwährungsfonds, der Weltbank und der Zivilgesellschaft beschloss das Parlament im April 2014 ein Gesetz, das bei Ausschreibungen des Staates und von staatlich kontrollierten Gesellschaften für Transparenz sorgt. Damit konnte das größte Korruptionsleck im Budget geschlossen werden, durch das jedes Jahr zumindest 50 Milliarden Hrywnja (3 Milliarden Euro) versickert waren.“ Aber auch dieses Gesetz sei erst im zweiten Anlauf mit der kleinstmöglichen Anzahl an Stimmen angenommen worden, klagt Kalenjuk. Sie hoffe, dass nach den Parlamentswahlen am 26. Oktober mehr Abgeordnete in der Werchowna Rada sitzen werden, die Interessen des Bürgers vertreten und im Staat auch etwas verändern wollen.
Große Probleme gebe es aber auch bei der strafrechtlichen Aufklärung jener Wirtschaftskriminalität, für die die ehemaligen Machthaber verantwortlichen wären. „Freilich wurde die Leitung ausgetauscht: Aber jene Behörden, die noch vor einigen Monaten Korruption vertuscht haben, haben nun die Aufgabe diesbezüglich zu ermitteln.“ Das Resultat seien sehr langsame und unprofessionelle Untersuchungen, gleichzeitig fehle es Strafverfolgern bei komplizierten Wirtschaftsverbrechen auch an fachlicher Kompetenz.
„Wir haben aber auch den Verdacht, dass es nach wie vor Möglichkeiten gibt, sich mit Strafverfolgern abzusprechen und mit Bestechungsgeldern Ermittlungen zu blockieren“, sagt Kalenjuk.
(Das Gespräch führte Herwig G. Höller/APA)