Streit über Rückkehr von Wolhynien-Tschechen aus der Ukraine
Prag (APA) - Tschechische Spitzenpolitiker streiten weiter darüber, ob die Prager Behörden die Auswanderung der Angehörigen der tschechische...
Prag (APA) - Tschechische Spitzenpolitiker streiten weiter darüber, ob die Prager Behörden die Auswanderung der Angehörigen der tschechischen Minderheit in der Ukraine (Wolhynien-Tschechen) zurück in ihre einstige Heimat ermöglichen sollten.
Staatspräsident Milos Zeman plädiert dafür, dass man dem Wunsch von Dutzenden Familien der Wolhynien-Tschechen, die um ihre Sicherheit bangen, nachkommen sollte, während der sozialdemokratische (CSSD) Außenminister Lubomir Zaoralek dies am Freitag wiederholt abgelehnt hat.
„Das Außenministerium bedauert, dass man widersprüchliche Informationen zur Situation der Landsleute in der Ukraine hören kann. Wir würden es als unglücklich und unverantwortlich betrachten, wenn die tschechischen Landsleute in der Ukraine zu Geiseln der Situation würden“, erklärte das Außenministerium in einer offiziellen Stellungnahme. Die tschechische Diplomatie befasse sich „intensiv“ mit den Bedürfnissen der Wolhynien-Gemeinde mit dem Ziel, ihre Lebensbedingungen in ihrem jetzigen Wohnort zu verbessern, so das Außenministerium. Zaoralek reagierte damit auf die Information vom Donnerstag, wonach bereits 70 Familien der Wolhynien-Tschechen sich an Zeman mit der Bitte um Hilfe bei der Auswanderung gewandt hatten.
Zeman hatte im vergangenen Monat den wiederholt geäußerten Wunsch der ausreisewilligen Wolhynien-Tschechen öffentlich unterstützt. Bisher war nur von über 40 Familien die Rede, wobei der Staatschef den Innenminister Milan Chovanec (CSSD) aufforderte, diesen Landsleuten mit der Rückkehr in ihre einstige Heimat zu helfen. Die derzeitige Situation in der Ukraine gebe ihnen nicht die Möglichkeit, ein „vollwertiges Leben“ zu führen, hatte Zeman argumentiert. Chovanec zeigte sich dazu bereit, indem er erklärte, das Innenministerium werde die Sache erneut überprüfen. „Falls es die gesetzliche Möglichkeit gibt, diese Tschechen zurück in die Heimat zu bringen, warum nicht?“, hatte Chovanec gesagt.
Zaoralek hatte Mitte September das Gebiet der Wolhynien-Tschechen besucht und die Auswanderung der ausreisewilligen Familien abgelehnt. Die Tschechische Regierung habe „keine Absicht, die ukrainischen Tschechen im Zuge einer Welle umzusiedeln“, weil es „um keinen Massenexodus geht“.
Zaoralek wollte noch am heutigen Freitag mit Zeman zusammentreffen und die Frage der Wolhynien-Tschechen erörtern. Vor dem Treffen ließ er die neue Erklärung veröffentlichen. Mit einem aktuellen Kommentar Zemans wird erst am Montag auf der planmäßigen Pressekonferenz seines Sprechers, Jiri Ovcacek, gerechnet.
Die Zahl der Wolhynien-Tschechen wird auf 20.000 geschätzt. Ihre Vorfahren hatten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wegen der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in der damaligen Monarchie Österreich-Ungarn in Wolhynien angesiedelt. Russland, zu dem Wolhynien damals gehörte, lockte mit finanziellen Anreizen Arbeitskräfte aus dem Ausland. Ein Teil der Wolhynien-Tschechen kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg in die Tschechoslowakei zurück und siedelte sich vor allem im Sudetenland an, aus dem zuvor die Sudetendeutschen vertrieben worden waren.