Brustkrebskonferenz: Gesichertes Wissen für Therapie

Wien (APA) - Viele wissenschaftliche Kongresse in der Medizin leben von der Präsentation kurzlebiger Studien. Die derzeit (bis 21. März) ers...

Wien (APA) - Viele wissenschaftliche Kongresse in der Medizin leben von der Präsentation kurzlebiger Studien. Die derzeit (bis 21. März) erstmals in Wien abgehaltene St. Gallen Brustkrebskonferenz soll etwas anderes bieten, hieß es Mittwochnachmittag bei der offiziellen Eröffnung: Gesichertes Wissen für die Therapie der meisten Mammakarzinompatientinnen in Form von Konsensusbildung.

„1978 hatten wir 78 Teilnehmer. Zuletzt, vor zwei Jahren, waren es an die 4.000 Teilnehmer. Unser Ziel ist eine kritische Übersicht zum ‚State of the Art‘ in der Behandlung von frühem Brustkrebs unabhängig von politischem oder industriellem Druck. Wir wollen einen nützlichen Konsens für Mammakarzinompatientinnen finden, die außerhalb von klinischen Studien behandelt werden. Das sind 90 Prozent der Patientinnen“, sagte der Mitbegründer der seit Jahrzehnten unter Spezialisten international hoch angesehenen Konferenz, der St. Gallener Spezialist Hans-Jörg Senn.

Das scheint umso wichtiger zu werden, als sich die Entwicklung der Medizin derzeit immer mehr beschleunigt und sichere Standpunkte deshalb noch mehr gefragt sind. Eine heiß diskutierte Frage ist derzeit in der medizinischen Forschung insgesamt, ob in Zukunft noch die klassischen Patientenstudien mit per Zufall zwei Vergleichsgruppen zugeteilten Patienten unter Verblindung (weder Arzt noch Patient weiß, wer, welche Therapie bekommt) ausschlaggebend sein werden.

„Solche randomisierten klinischen Studien sind nicht obsolet. Wir müssen einrechnen, dass auch heute unser medizinisches Leitlinienwissen zu drei Viertel nicht aus solchen Studien stammt. Wir brauchen sie also weiterhin“, betonte Clifford Hudis (USA), ehemals Vorsitzender der weltweit einflussreichsten Onkologengesellschaft ASCO. Aber: Das Abwickeln solcher Studien dauert immer länger. Durch die Fortschritte der Medizin sieht man in den untersuchten Probandengruppen immer seltener jene „Ereignisse“

„Big Data“ - also die Daten außerhalb von klinischen Studien von Patienten aus Arztpraxen, Ambulatorien, Spitälern und Registern - könnten hier laut dem US-Experten eine gute Ergänzung bieten. „Die meisten Ärzte haben bereits eine gut funktionierende EDV. Wenn wir beispielsweise die Daten aus dem Pool der Hälfte der US-Bevölkerung, sagen wir 150 Millionen Menschen, über den Gebrauch von Rofecoxib (ehemals neues Antirheumatikum, das schließlich wegen Zwischenfällen vom Markt genommen werden musste; Anm.) gehabt hätten, hätte man das Signal für mögliche Probleme binnen sechs bis acht Wochen gesehen“, sagte Hudis. Es dauerte Jahre, bis die potenziell gefährlichen Nebenwirkungen ausreichend belegt waren. In klinischen Studien hatte man sie nicht erkannt.

Mit Datenauswertungen aus großen Bevölkerungsgruppen könnte man, so der Fachmann, leichter zu neuen Hypothesen kommen, man könnte „Früherkennung“ von möglichen Problemen betreiben. Schließlich ließen sich manche medizinische Fragen an sehr kleinen und speziellen Patientengruppen mit den althergebrachten klinischen Studien wohl nicht beantworten.

In der Onkologie sorgt die zunehmend auf der Molekularbiologie einzelner Tumore basierende Wissenschaft derzeit bereits für einen Umbruch. Immer häufiger gibt es Studien, die nicht mehr einen „Organ-Krebs“ (z.B. Lungenkrebs) umfassen, sondern gezielt einzusetzende Arzneimittel bei dafür geigneten Patienten mit bestimmten Tumorcharakteristika mit unterschiedlichen Erkrankungen austesten: zum Beispiel bei einem Patienten mit einem bestimmten Magenkarzinom und gleichzeitig bei einer Patienten mit einer bestimmten Form von Brustkrebs. Solche Studien werden „Basket“-Trials („Korb“-Studien) genannt und waren früher oft verpönt, weil man meinte Ungleiches zu vergleichen.