Auch Stars müssen in den USA Geschworenen-Dienst leisten
In den USA ist es oberste Bürgerpflicht: Alle paar Jahre muss sich fast jeder US-Amerikaner der Auswahl zum Geschworenen-Dienst am Gericht stellen. Die langatmige Prozedur ist extrem unbeliebt - und so versuchen auch Promis immer wieder sich herauszumogeln.
Von Christina Horsten, dpa
New York - Zwei Worte auf einem Briefumschlag sorgen bei vielen US-Amerikanern regelmäßig für schlechte Laune: „Jury Summons“, die Vorladung zum Geschworenen-Dienst. Das bedeutet: Mindestens ein Tag muss am Gericht verbracht werden, meistens eher zwei, und wer für eine Geschworenen-Jury ausgewählt wird, kann sich sogar auf Wochen und Monate einstellen. Das Ganze ist laut Gesetz für fast jeden US-Amerikaner ab 18 alle paar Jahre oberste Bürgerpflicht.
Verschieben lässt sich dieser Gerichtstermin nur mit einer ganz besonders guten Ausrede, absagen geht gar nicht - und sogar der Promi-Status hilft nicht gegen die unbeliebte „Jury Duty“. Ob Mariah Carey, Robert De Niro, Tom Wolfe, Woody Allen, Uma Thurman, Donald Trump, Henry Kissinger oder Calvin Klein - sie alle mussten an ihrem Wohnsitz New York schon zum Geschworenen-Dienst antreten. In Los Angeles wurden unter anderem schon Charlie Sheen, Brad Pitt, Tom Hanks, Mel Gibson und Eva Longoria ins Gericht gebeten.
„Niemand mag die Geschworenen-Pflicht“
Der Ablauf ist für sie dann genau wie für alle anderen: An dem auf der Vorladung angegebenen Tag müssen sie im Gericht erscheinen und sich ausweisen. Danach heißt es meist erstmal warten. Wenn ein Prozess ansteht und eine Geschworenen-Jury benötigt wird, kommen die Wartenden nach dem Zufallsprinzip in die Auswahl. Wenn nicht, heißt es acht Stunden lang, nur unterbrochen von einer kurzen Mittagspause, auf den meist unbequemen Stühlen der Gerichts-Wartesäle sitzen und warten, warten und noch mehr warten. „Niemand mag die Geschworenen-Pflicht“, sagte die Anwältin Wendy Feldman jüngst dem TV-Sender „Fox News“.
Pro Jury werden je nach Art des Prozesses 6 bis 23 Juroren gebraucht. In die Auswahl kommen aber zunächst einmal deutlich mehr, die dann von den Anwälten der beiden Parteien ausführlich befragt werden, um jegliche Art von Befangenheiten auszuschließen. Kennt derjenige einen der Prozessteilnehmer? Kennt er jemanden, der jemanden kennt, der einen der Prozessteilnehmer kennt?Und so weiter, und so fort - die Befragung kann Tage oder sogar Wochen dauern, bis die Anwälte ihre Jury zusammengesucht haben. Wer in einer Jury landet, muss dann einen Prozess genau beobachten und möglicherweise zum Beispiel über Schuld oder Unschuld eines Mordverdächtigen entscheiden. Oder darüber, ob ein Mann, der sich bei der Arbeit verletzt hat, Anspruch auf Schadensersatz hat und wenn ja, wie hoch.
Die wenigsten Vorgeladenen landen am Ende aber auch wirklich in einer Jury. Das liegt einerseits daran, dass es viel mehr potenzielle Juroren gibt, als gebraucht werden, und andererseits an den vielen möglichen Befangenheiten. Oder auch an den ausgedachten Befangenheiten, denn in den USAgilt es als eine Art Volkssport sich auf irgendeine Art und Weise aus der potenziell lange dauernden und langatmigen Geschworenen-Pflicht herauszumogeln. Von „Ich bin auf der Arbeit unabkömmlich“ über „Mir wird im Gerichtssaal immer schlecht“ zu „Ich habe grundsätzlich ein Problem mit Anwälten und glaube nicht an unser Justizsystem“ habe er alles schon gehört, erzählt ein New Yorker Anwalt.
„Madonna war sehr umgänglich“
Auch der Star-Regisseur Woody Allen habe sich herausreden wollen, erzählte der jüngst in Pension gegangene oberste Aufseher der Geschworenen-Pflicht in New York, Norman Goodman, der „New York Times“. Er sei so traumatisiert von seinem Sorgerechtsprozess mitEx-Partnerin Mia Farrow, dass er auf keinen Fall zur „Jury Duty“ erscheinen könne. Goodman ließ das nicht durchgehen und Allen kam - mit Anwalt und Bodyguard. „Wir haben ihn dann schließlich gehen lassen und waren ganz ehrlich auch froh, ihn wieder los zu sein.“
Denn einenVorteil hat der Promi-Status bei der „Jury Duty“ doch: Die Stars müssen zwar beiGericht erscheinen, werden aber so gut wie nie für eine Jury ausgewählt, weil das den Prozess zu sehr stören würde. „Stars haben besondere Persönlichkeiten. Die Menschen fühlen sich von ihnen angezogen und können von ihnen stark beeinflusst werden“, sagte der Medienanwalt David Albert Pierce dem TV-Sender „Fox News“. Oft müssten die Promis auch nicht gemeinsam mit den anderen Vorgeladenen warten, sondern bekämen einen Extra-Raum, erzählt der frühere New Yorker Aufseher Goodman, der deswegen jüngst ein paar Stunden mit Madonna verbrachte. „Sie war sehr umgänglich.“
Und am Ende bekam dann auch die Sängerin das heiß begehrte Papier mit der Aufschrift: „Das ist die Bestätigung, dass Sie Ihre Geschworenen-Pflicht abgeleistet haben. Mit dieser Bestätigung dürfen Sie in den kommenden mindestens sechs Jahren nicht noch einmal zur Geschworenen-Pflicht aufgerufen werden.“