Die Puppenmutter einer Nation
Schauspielerin, Künstlerin, Puppenmutter einer Nation: Die Filmbiografie „Käthe Kruse“ mit Fritz Karl und Ursula Strauss als ORF-Premiere.
Von Silvana Resch
Innsbruck –Käthe Kruse, geborene Katharina Simon, war eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Frau. Das erkennt in der nach ihr benannten TV-Teilbiografie auch ihr zukünftiger Ehemann (Fritz Karl als Bildhauer Max Kruse) sogleich. Dabei stammte das Mädchen „aus der Gosse“ – die ledige Mutter ist Näherin (Ursula Strauss), der Vater, ein Buchhalter, schert sich zumindest im Film keinen Deut.
Trotz dieses schwierigen Starts ins Leben sollte es Katharina Simon weit bringen. Lange bevor sie mit ihren Puppen zu „Deutschlands bekanntester Frau“ wird, feiert sie die Presse für ihre außergewöhnliche Schauspielbegabung, die sie auf Berlins Bühnen reüssieren ließ. Kruses faszinierende Lebensgeschichte bietet vielerlei Anknüpfungspunkte, Regisseurin Franziska Buch und Drehbuchautorin Sharon von Wietersheim haben da und dort aber ein wenig dramatisiert, was nicht immer plausibel scheint. Der legendäre, siebenjährige Urheberrechtsstreit dient als filmische Klammer: Kruse klagte den scheinbar übermächtigen Spielwarenkonzern Bing, der seine billigen Massenfabrikate dreist mit dem Slogan „Imitation der Käthe-Kruse-Puppen“ bewarb und bekam in einem bahnbrechenden Urteil 1925 Recht. Die Frage, ob ihre in Handarbeit hergestellten Puppen nun Kunst seien oder nicht, wurde da vor Gericht verhandelt.
Unterstützung erhält sie im TV-Film dabei überraschend von ihrem 29 Jahre älteren Ehemann Max Kruse. Fritz Karl setzt die inneren und äußeren Konflikte des Bildhauers, dessen künstlerischer Zenit längst überschritten ist und der zunehmend im Schatten seiner Frau steht, überzeugend in Szene. Dass der Freigeist trotz der gemeinsamen Kinder viele Jahre in „wilder Ehe“ mit seiner Geliebten lebt, ist in der feinen Berliner Gesellschaft dieser Zeit aber nicht gerade geschäftsfördernd. Käthe wird samt Mutter in eine Künstlerkolonie auf dem Monte Verità nahe Ascona verfrachtet. In diesem etwas steif inszenierten alternativen Lebensumfeld kreiert sie ihre ersten Puppen – ihr Mann weigert sich, Töchterchen Maria eine zu kaufen: „Ick kaufe euch keine Puppen. Ich finde sie scheußlich. Macht euch selber welche.“
Vom Erfolg erster Anfänge bestätigt, entwickelt Kruse schon bald eine Puppe, die für damalige Verhältnisse revolutionär ist: Ein „Kind fürs Kind“, wie es die siebenfache Mutter ausdrückte – warm, weich und schwer. Die Natürlichkeit und die lebendige Mimik des Spielzeugs begeistern Kinder, Eltern und Presse gleichermaßen. Kruse, die gewiefte Geschäftsfrau, eröffnet eine Manufaktur und steigt zu einer der erfolgreichsten Unternehmerinnen des Landes auf.
Viel mehr wird in dieser Filmbiografie, die hauptsächlich von ihren Darstellern und der faszinierenden Vorlage lebt, nicht erzählt. Kruse wird von der relativ unbekannten Schauspielerin Friederike Becht gespielt. Mit ihrer eindrücklichen Präsenz bildet sie gemeinsam mit Ursula Strauss ein rührendes Mutter-Tochter-Gespann. Der Zuschauer ahnt, dass die Mutter sehr wohl hinter der Schauspielkarriere ihrer Tochter stand und diese nicht, wie im Film dargestellt, ablehnte.
Spannend wären freilich auch die nachfolgenden Jahre gewesen. Die pragmatische Unternehmerin warb ab 1933 mit dem Slogan „Das deutsche Kind, aktueller als je“ und brachte Puppen wie „Friedebald als SA-Mann“ auf den Markt. Während der NS-Zeit weigerte sich Kruse aber auch, die halbjüdischen Angestellten ihrer Manufaktur zu kündigen. Die Puppenmacherin bietet viel Stoff. „Käthe Kruse“, heute Abend um 20.15 Uhr in ORF 2 ist schon mal ein Anfang.