Kristallwelten

Kristallwelten-Chef: „Wollen keinen schnellen Wow-Effekt“

Swarovski-Geschäftsführer Stefan Isser.
© Kristallwelten

Die Erweiterung der Kristallwelten hat Swarovski, dem größten Unternehmen Tirols, 34 Millionen Euro gekostet. Geschäftsführer Stefan Isser erwartet sich von den neuen Attraktionen mehr Strahlkraft für den Standort Wattens.

Die Kristallwelten in Wattens wurden nach der größten Erweiterung ihrer 15-jährigen Geschichte wieder eröffnet. Im Schauraum von Swarovski auf der gegenüberliegenden Straßenseite funkelt es in den Vitrinen, an den Wänden und auch Stefan Isser, Geschäftsführer der Kristallwelten, strahlt etwas aus. Anspannung vielleicht. Oder, wie er es nennt, „grenzenlosen Optimismus“, dass die verdoppelten Kristallwelten auch angenommen werden.

Der Neubau 1995 hat 13 Millionen Euro gekostet, die Erweiterung jetzt 34 Millionen Euro – was macht Sie so sicher, dass sich die neue Investition lohnt?

Ende September hat ein Arbeiter einen Silberschatz mit über 700 Münzen gefunden, mit besonderen Münzen von der 1000-Jahr-Feier in Rom, von verschiedensten Herrschern und Kaisern. Es kann sich einfach nicht um einen Zufall handeln, dass das hier gefunden wurde. Beim Wert reden wir von ein paar tausend Euro, den Umbau konnten wir damit leider nicht finanzieren.

Wir sind einfach vor der Entscheidung gestanden, den Bestand zu sanieren oder mutig diesen Ort weiterzuentwickeln. Die Familie Swarovski hat sich für letzteren Weg entschieden und bekundet, dass permanent in den Ort investiert wird – weil die Halbwertszeit von solch hybriden Orten massiv abnimmt und man eigentlich verpflichtet ist, sich permanent zu verwandeln.

Seit 2009 ist Andre Heller nicht mehr involviert, gab es Bestrebungen, wieder mit ihm zu arbeiten?

Andre Heller ist als Schöpfer der Kristallwelten untrennbar mit dem Ort verbunden, aber sein Leitspruch war, sich lernend zu verwandeln. Wir haben in den letzten 19, 20 Jahren viel lernen dürfen und wir waren der Meinung, dass niemand diesen Ort besser versteht als wir selbst. Deswegen haben wir für einzelne Konzeptelemente verschiedene Experten ausgewählt.

Ein Herzstück der Erweiterung ist die Kristallwolke, soll sie in ein paar Jahren so symbolhaft wie der Riese wirken?

Wir haben versucht, rauszukommen aus dem Erfahrungsgefängnis, in dem wir alle sitzen. Dabei wollten wir das Konzept der unterirdischen Wunderkammern nach außen stülpen – aber wir wussten nicht, ob dieser Traum realisierbar ist. Am Anfang war das mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Ich glaube schon, dass die Wolke das Potenzial hat, zu einer absoluten Attraktion neben der Ikone des Riesen zu werden.

Welche Schwierigkeiten meinen Sie?

Statische Probleme, weil die Wolke mit 800.000 Kristallen bei jedem Wetter funktionieren muss. Außerdem wollten wir keinen schnellen Wow-Effekt. Oft ist ein nach innen gerichtetes Aha-Erlebnis nachhaltiger, als wenn man bei einer bestimmten Stelle der Achterbahn staunen muss.

Gab es die Überlegung, den neuen Park und die Kristallwolke frei, also ohne Ticketkauf, zugänglich zu machen?

Der Platz vor dem Riesen, das Restaurant und ab Anfang August die archäologische Ausgrabung sind frei zugänglich. Uns war es wichtig, ein Gesamterlebnis zu schaffen, deswegen haben wir uns für eine Ticketlösung entschieden.

80 Prozent der der Einnahmen machte bisher der Shop, 20 Prozent der Tickteverkauf aus. Welche Gäste geben im Shop am meisten aus?

Die Ausgabefreudigkeit der Chinesen ist hoch, auch andere asiatische Märkte oder der Nahe Osten und die USA liegen bei den Ausgaben im Shop über dem Schnitt. Ende der 90er-Jahre haben wir fünf Märkte aktiv bearbeitet, jetzt haben wir Besucher aus über 60 Nationen. Dabei hat jeder Markt ein anderes Buchungs- und Reiseverhalten. Der Deutsche reist zu zwei Dritteln individuell und kurzfristig, arabische Gäste bleiben länger und sind in Großfamilien unterwegs.

Die Kristallwelten waren vor dem Bau intern umstritten. Ihr Vorgänger Andreas Braun und Andre Heller sollen mit übertriebenen Besucherzahlen argumentiert haben. Welche Erwartungen haben Sie jetzt?

In der Rückschau betrachtet war der Erfolg nicht planbar. Wir gehen davon aus, dass unsere Erwartungen jetzt mit 850.000 Besuchern pro Jahr realistisch sind. Es ist auch ein Ziel, die Aufenthaltsdauer der Kunden von eineinhalb bis zwei auf vier Stunden zu verlängern – die Zeit des Kunden ist unsere wertvollste Währung. Und wir wollen das Staunen pro Quadratmeter erhöhen.

Für die Unternehmerfamilie ist der Ausbau ein Zeichen, den Standort Wattens nachhaltig zu stärken. Könnte der Standort in Frage gestellt werden, wenn Sie Ihre Ziele nicht erreichen?

Wir tragen mit dieser Erweiterung zur Strahlkraft des Ortes und der Marke bei. Wir sind grenzenlose Optimisten und gehen davon aus, dass wir diese Ziele erreichen.

Google hat einen Park, der Ihrem jetzt etwas ähnelt; das Autostadt-Museum in Wolfsburg wurde für 500 Millionen Euro erbaut – sind solche Symbiosen zwischen Ort und Unternehmen wichtig?

Gernot Langes hatte in den 90er-Jahren die Vision, Tourismus mit Industrie auf eine einzigartige Weise zu verschmelzen. Erst im Laufe der späten 90er-Jahre sind die anderen Themenparks und Markenwelten entstanden. Es war tatsächlich so, dass die Kristallwelten der erste hybride Ort dieser Art waren. Ein Ort auch für die lokale Bevölkerung, so etwas funktioniert nur dann, wenn es von der lokalen Bevölkerung mitgetragen wird.

Es gab Ideen, die Innschifffahrt oder die Regionalbahn zu den Kristallwelten zu führen. Beides wurde verworfen.

Ich möchte gar nicht eingehen auf einzelne Projekte, sondern es geht darum, dass wir als Unternehmen einen eigenständigen, zukunftsorientierten Weg gehen.

Josef Margreiter hat 1996 als Tirol-Werbung-Chef gesagt, dass z. B. Koreaner nicht wegen der Alpen nach Tirol kommen, sondern zu den Kristallwelten. Sollte Tirol als Tourismusland nicht nur auf die Berge setzen?

Es gibt tatsächlich gewisse Märkte, die sehr positiv beeinflusst sind von den Kristallwelten, das sage ich, ohne überheblich sein zu wollen. Wenn wir Indien hernehmen, das ist unser drittwichtigster Herkunftsmarkt: Dort gibt es viele Reisekataloge, wo der Riese neben dem Kolosseum in Rom oder neben dem Eiffelturm in Paris von der Titelseite lacht – und darauf sind wir stolz.

Betreiben „altehrwürdige“ Sehenswürdigkeiten schlechtes Marketing?

Ich maße mir nicht an, eine Aussage über die Herausforderungen anderer zu treffen. Aber ich glaube, es geht schon darum, immer neue Sehnsuchtsfelder zu entdecken.

Es wird oft über Kristallwelten in China spekuliert. Scheut man sich, weil man bei dem wieder geschlossenen Swarovski-Werk in der Provinz Shandong gemerkt hat, dass dort nicht immer mit Qualität gearbeitet wird?

Das darf man nicht vermengen, das sind zwei andere Geschäftsfelder. Kristall hat eine hohe Inspirationskraft in unterschiedlichen Kulturen. Ob dieser Erfolg ins Ausland transferierbar ist, darüber denken wir nach. Aber es ist zu früh, um über Details zu sprechen.

Herr Heller hat sich den Erfolg der Kristallwelten so erklärt: „Faktum ist, dass die Kristallwelten Alte und Junge, Gscheite und Blöde begeistern.“ Wie würden Sie das ausdrücken?

Es kann ein Intellektueller viel mitnehmen, aber auch eine Oma mit ihren Enkelkindern, die sich der Schönheit erfreuen. Es ist eine Verzauberung auf Zeit. Zu der Atmosphäre gehört auch, wie der Ort gepflegt wird, wie man Gäste willkommen heißt, wie man sie verabschiedet, wie die Parkplätze aussehen, wie die Website gestaltet ist oder wie man die Reservierung am Telefon erhält – das alles ist ein kommunizierendes Gefäß und Teil des Erfolgs.

Das Gespräch führten Matthias Christler und Miriam Hotter

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