Tiroler Weltenbummler wieder Daheim: „Angst ist eine Krankheit“
Heute vor zwei Wochen kehrte die Familie Orley von ihrem fast zweijährigen Segeltörn durch die Karibik zurück. Am Segelboot lernten die Kinder nicht nur für die Schule.
Von Manuel Lutz
Innsbruck –Im Partnerlook gekleidet lernen Mutter und Tochter am Küchentisch. In der Zwischenzeit wird der Garten vom Vater etwas aufgeräumt. Sogleich läuft der Sohn zu ihm und springt auf das Trampolin. „Die Hausübung ist fertig“, verkündet das Mädchen stolz und die vierköpfige Familie versammelt sich auf einem Sofa vor der Terrassentür. Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Orleys erfüllen das Klischee einer typischen Familie, die seit Jahren am Innsbrucker Stadtrand wohnt.
Dabei pendelt sich der Alltag erst langsam wieder ein. Denn bis vor zwei Wochen lebten die Innsbrucker auf dem Katamaran „Snowflake“ und segelten durch die Karibik. In den knapp zwei Jahren führte die Reise von Trinidad und Tobago über Grenada, vorbei an Venezuela nach Kolumbien sowie nach Panama und Costa Rica. Ein Hauptgrund für die Reise: „Die Kinder werden sehr stark geprägt von der Umwelt. Alleine die Tatsache, dass ein Zehnjähriger ein Handy haben muss, gefällt uns nicht“, sind sich Flo und Nina Orley einig.
Ihr Vorhaben, ihren Kindern ein natürlicheres Lebensumfeld zu zeigen, hat gefruchtet. Der achtjährige Keano ist immer noch beeindruckt von seinen Erlebnissen in der Natur. „Unter Wasser hat man nur die Natur. Ich habe z. B. gelernt, mit einer Harpune umzugehen“, schildert er stolz. Seine jüngere Schwester Momo ist immer noch von den vielen Muscheln fasziniert.
Als Erinnerung schenkte die Sechsjährige ihrer Mama eine Halskette. Ob dabei das Geschenk oder die Übergabe schöner war, ist sich die 42-Jährige nicht sicher. „Momo hat mir die Kette auf einem Bananenblatt in einem Fluss, der etwa 40 Grad hatte, überreicht. Und das alles bei Kerzenschein“, ist sie immer noch gerührt.
Besondere Momente gab es viele, wer aber glaubt, dass die Familie nur in der Sonne gelegen ist, täuscht sich. „Es war immer viel zu tun auf dem Schiff. Die Aufgaben wurden geteilt“, erklärt der Familienvater. Während der 43-Jährige die verschiedensten handwerklichen Tätigkeiten übernahm, fungierte seine Gattin als Lehrerin. „Wir haben dieselben Schulbücher verwendet wie auch hier in Innsbruck. Am Ende des Semesters gab es sogar eine Prüfung sowie eine Zeugnisvergabe.“
Auch für das leibliche Wohl war Nina verantwortlich. Dies war oft jedoch eine Herausforderung. So hatte das Team einmal sogar für drei Monate keinen Zugang zu Lebensmitteln. „Da fragt man nicht, was man essen möchte. Man kocht das, was zuerst schlecht wird“, erklärt sie. Mit einem normalen Familieneinkauf vor dem Wochenende kann man dies nicht vergleichen. „Wir haben fast zwei Tage damit verbracht, Lebensmittel für die drei Monate zu besorgen. Früchte aus dem Supermarkt konnten wir z. B. nicht kaufen, da die schneller schlecht werden“, so Flo Orley.
Dass man für ein Vorhaben dieser Art jedoch auch einiges an Geld auf der Seite haben muss, liegt auf der Hand. Ein Teil der Reise konnte über Aktivitäten auf Social-Media-Plattformen sowie durch Sponsoren finanziert werden. Zudem wurden sie mit Kleidung und Sportausrüstung bestens ausgestattet. Die Popularität von Flo Orley spielte ihnen dabei in die Karten. In der Snowboarder-Szene hatte er sich einen Namen gemacht. Jahrelang war er einer der besten Freerider des Landes.
Wenn man sich an so manch waghalsigen Sprung von ihm erinnert, ist klar, dass der Tiroler kein ängstlicher Mensch ist. Auch auf der Reise verspürte er dieses Gefühl nicht. „Angst ist eine Krankheit“, ist seine Devise. Mit erhobener Hand schlägt seine Partnerin bei dieser Aussage ein. Dennoch siegte auch die Vernunft. In gefährlichen Gebieten wie an der Ostküste Panamas wurde nicht geankert, Krisenländer wie Venezuela gemieden. „Durch die Armut gibt es Piraterie“, so Orley.
So ging das Abenteuer ohne Zwischenfälle zu Ende und das Leben wurde in 16 Taschen gepackt. Die Hälfte des Gepäcks wurde allein mit Sportsachen und Büchern gefüllt. Bei der Heimreise hatte dann jeder nur noch ein Paar Flip-Flops an den Füßen. Egal! Aktuell geht die Familie lieber barfuß im Garten – wie am Segelboot eben. Eine Fortsetzung ist geplant, vielleicht aber mit einem Bus.