Zwischen Ethik und Effizienz: Sepp Hochreiter über Künstliche Intelligenz
Der Informatiker an der Uni Linz erklärt mögliche Gefahren, gibt aber auch Entwarnung bezüglich der KI im Rahmen der diesjährigen Technologiegespräche in Alpbach.
Wien/Alpbach – Sepp Hochreiter hat mit den „Long Short-Term Memory Netzen“ eine der Grundlagen für die Technologie der Künstlichen Intelligenz (KI) geschaffen, die im Zentrum der diesjährigen Alpbacher Technologiegespräche steht. Der Informatiker der Uni Linz erklärte im Interview mit der APA, wie es in der Zukunft bezüglich KI aussehe.
„Unter KI versteht man Maschinen, die kognitive Fähigkeiten zeigen, die man Menschen zuschreibt, und die diese einsetzen, um ein Ziel zu erreichen. Dazu gehört, die Umgebung wahrzunehmen und zu manipulieren, logisches Schließen, Planung, Kommunikation und – ganz wichtig – aus Erfahrungen und Daten zu lernen“, erklärte Hochreiter.
Maschinelles Lernen sei einer der wichtigsten Teilaspekte der KI derzeitig. Dabei ginge es darum, aus Daten zu lernen und zu optimieren. Wenn es um das Lernen mit neuronalen Netzen geht, nennt man das „Deep Learning“. Damit arbeiteten Internetriesen wie Facebook, Amazon un Co.
KI sei keine reine Zukunftsmusik mehr, sondern oft im Alltag anzutreffen: der gesamte E-Commerce werde durch KI gesteuert, angefangen bei Produktvorschläge nach einem Kauf, bis zu automatisch übersetzten Produktbeschreibungen von Anbietern aus Ländern mit anderer Sprache. KI-basierte Assistenzsysteme im Auto wie Spurhalteassistent oder Verkehrszeichenerkennung erleichtern uns jeden Tag den Alltag. Die neu entwickelten Systeme zu erkennen, werde immer schwieriger, besonders bei Social-Media Seiten.
Intelligenter als der Erfinder?
KI-Systeme seien in Spezialgebieten, wo es darum ginge, die Umwelt genau wahrzunehmen, effizienter als der Mensch wie etwa bei der Krebsdiagnose aus Gewebeabschnitten oder Verkehrszeichenerkennung. In Dingen wie logisches Schließen oder Weltverständnis seien die Systeme aber noch weit hinter dem Mensch.
Die Lösung dafür KI-Systeme nicht nur in Spezialgebieten einsatztauglich, sondern zu „All-roundern“ zu machen, liege darin, sie wie Menschen Erfahrungen sammeln zu lassen. Mit dem angehäuften Weltwissen könne das System in Situationen, die ihm zum ersten Mal begegnen, handlungsfähig bleiben.
Matrix bald Realität?
Die Ängste der Gesellschaft vor der KI bestünden aus einem Teil Angst vor dem Unbekannten und aus Vorurteilen, gespeist von Filmen wie Matrix oder Terminator, in denen Maschinen Menschen unterwerfen. „Allerdings gibt es wirklich Gefahren verschiedenster Art, etwa wenn man nach China schaut. Dort will man KI-Technologien zur Überwachung einsetzen. In jeder Straßenlaterne, an jedem Straßeneck, auf jedem Parkplatz gibt es Kameras und verschiedene Sensoren, um zu schauen, wo gehen die Leute, was machen die, usw. Dazu kommen Gesichtserkennung und „pose estimation“, also das Erkennen von Personen alleine aufgrund von deren Bewegung“, warnte der Informatiker.
Der so genannte „Blaseneffekt“ sei auch nicht zu unterschätzen – die KI in Fernseher oder Handy filtere die reinkommende Informationsflut und zeige nur mehr die an, die der Nutzer für gut empfinde.
Politische Entscheidungen durch KI-Systeme seien schwierig, da politische Urteile, nicht nur Weltwissen sondern auch Empathie benötigten.
Überholt von China und Amerika
Die EU-Kommision hat rechtliche, ethische Regelungen im Umgang mit der KI konzipiert, die jedoch nicht sehr effizient seien, da die Technologie von Amerika und China vorangetrieben werde. Füße still halten und abwarten, was auf der anderen Seite der Erde passiert, sei für den Informatiker sehr frustrierend, denn um die KI zu verstehen, müsse man selbst am Entwicklungsprozess teilnehmen.
Im Herbst starte ein KI-Studium, mit Inhalten wie Deep Learning, LSTM und Mechatronik. so etwas gebe es in China oder Amerika nicht, man wolle so das Lernzentrum der KI nach Europa legen.
Österreichische KI-Strategie
Die Präsentation der österreichischen KI-Strategie sei wegen der innenpolitischen Ereignisse verschoben worden. „Die KI-Technologieentwicklung geht sehr schnell voran und je länger wir inaktiv sind, desto schlechter ist es. Es gibt zwei europaweite KI-Netzwerke ELLIS und CLAIRE. Bei ELLIS ist Österreich mit Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Großbritannien ganz vorne mit dabei. Wir hätten schon mit ein paar Sachen loslegen können, doch ich kann jetzt keine Versprechungen machen und wir müssen auf die neue Regierung warten. Es könnte also sein, dass wir bald wieder von der Spitze weg sind. Das tut mir weh, weil wir lange darauf hingearbeitet haben, dass wir in Europa sichtbar sind“, sagte Hochreiter. (APA/TT.com)