Bergung mit dem Hubschrauber: Das Risiko trägt jeder selbst
Eine 90-Jährige stürzt bei einem Ausflug, die Hubschrauberbergung kostet 6000 Euro. Die Ombudsmänner der TT und der TGKK setzten alle Hebel in Bewegung, um zu helfen.
Von Michaela S. Paulmichl
Innsbruck –Ein Ausflug mit ihrer Großnichte samt Familie zum Obernberger See wurde einer 90-jährigen Tirolerin zum Verhängnis: Bei der Wanderung zum See stolperte sie und fiel ungebremst mit dem Kopf auf den steinigen Weg. „Bevor sie bewusstlos wurde, hatte sie Zuckungen am ganzen Körper ähnlich einem epileptischen Anfall“, beschreibt die Nichte später die Situation. Ein vorbeikommender Wanderer eilte zu Hilfe und setzte einen Notruf ab. Nacheinander trafen Bergrettung, Polizei und Rettungshubschrauber ein. Die ältere Dame, die inzwischen wieder zu Bewusstsein gekommen war, wurde ins Krankenhaus gebracht, wo ihre Platzwunde genäht und sie selbst untersucht wurde. „Schon am nächsten Tag konnte sie nach Hause entlassen werden, wo sie sich schnell erholt hat“, ist ihre zweite Großnichte froh, die sich mit der Geschichte an das Ombudsteam der Tiroler Tageszeitung wandte.
Es ist alles noch einmal gut ausgegangen, allerdings erhielt die 90-jährige Mindestpensionistin für die Bergung mit dem Hubschrauber eine hohe Rechnung. „Wir alle sind sehr froh und dankbar, dass die Rettungskette so toll funktioniert hat und dieser Vorfall für meine Großtante glimpflich ausgegangen ist. Auch verstehen wir, dass ein Hubschraubereinsatz sehr teuer ist, aber 6000 Euro Selbstbehalt ist für unsere Großtante viel Geld, vielleicht gibt es eine Unterstützung für sie.“ TT-Ombudsmann Hansjörg Jäger setzte sich daraufhin mit seinem Kollegen von der Tiroler Gebietskrankenkasse, Ombudsmann Thomas Wackerle, in Verbindung. Über den in diesem Fall üblichen Zuschuss hinaus – eine österreichweite, rechtlich fixierte Pauschale von exakt 894,93 Euro – gibt es aber keine weiteren Zuwendungen, das Land leistet in diesem Fall gar keine Zuschüsse. „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Flugtransporte abgelehnt werden, sofern das Unfallereignis auf die Ausübung von Sport und Touristik zurückzuführen ist“, hieß es daher in dem Brief an die Patientin. TGKK-Direktor Arno Melitopulos: „Der Gesetzgeber verweist in diesem Fall ausdrücklich auf den Privatbereich, das Risiko liegt somit bei jedem selbst.“
Wackerle: „Obwohl wir regelmäßig darauf hinweisen, denken viele immer noch, es wird ohnehin alles über die Sozialversicherung bezahlt. Das ist leider ein Irrglaube.“ Wer in den Bergen unterwegs sei, müsse sich selbst versichern, sieht er Betroffene in der Verpflichtung. In Fällen der Grundversorgung werden Bergungskosten des Hubschrauber-Betreibers von Sozialversicherung und Land übernommen und direkt abgerechnet, dabei werden dem Betroffenen nicht einmal Rechnungen ausgestellt. Es sei denn, der Patient ist privat zusatzversichert oder es gibt einen Schädiger.
Ob ein Helikopter gerufen wird oder ein so genanntes „bodengebundenes Rettungsmittel“, also ein Einsatzfahrzeug, darauf haben Verletzte und deren Begleiter keinen Einfluss. Er wird je nach Bedarf von der zentralen Leitstelle des Landes Tirol in Innsbruck aus angefordert. Entschieden wird nach einem genauen Abfrageschema, dabei entsteht ein Einsatzcode, der anzeigt, ob ein Notarzt gebraucht wird oder nicht. „Heute tut man es sich aber auch nicht mehr an, dass man die Rettung zum Beispiel auf die Höttinger Alm schickt, und verständigt gleich den Hubschrauber“, sagt Wackerle. Bei der Höhe der Rechnung spielt dann auch die Entfernung eine Rolle, in diesem Fall die Anzahl der Flugminuten zum abgelegenen Obernberger See. Pro Minute werden für Privatpersonen bis zu 100 Euro verrechnet.
Um der Mindestpensionistin doch noch helfen zu können, wandten sich die beiden Ombudsmänner an die Arbeiterkammer (AK). „Weil die betagte Dame nur eine sehr niedrige Alterspension bezieht und alleine nicht in der Lage war, die hohen Bergungskosten zu bewältigen, mussten mehrere Angehörige einspringen“, schildert AK-Präsident Erwin Zangerl. Deshalb wurde der Fall an den AK-Unterstützungsfonds weitergeleitet. Dort wurde der Tirolerin von der Vergabekommission ein finanzieller Zuschuss in Höhe von 2000 Euro zugesprochen. „Damit konnten wir rasch einen großen Beitrag leisten, um die Familie zu entlasten, und die Dame war für diese Unterstützung sehr dankbar.“
Immer wieder kommt es vor, dass Verletzte sagen, sie hätten doch gar keinen Hubschrauber gerufen. Die Kosten hat dennoch derjenige zu tragen, zu dessen Gunsten der Rettungseinsatz erfolgt ist, sagt Angela Fodor vom Zivil- und Katastrophenschutz des Landes. „Würde der Melder für die Kosten verantwortlich gemacht, wird sich niemand mehr finden, der nach einem Unfall einen Notruf absetzt – und in vielen Fällen ist dieser Notruf lebensrettend.“
Ihrer Erfahrung nach reicht die klassische Unfallversicherung meistens aus, um Hubschrauberbergungen nach Unfällen abzudecken. Sie rät in jedem Fall zum genauen Studium der bestehenden Versicherungspolizze. Denn nicht immer ist die Lage eindeutig: „Kosten für Hubschraubereinsätze werden häufig nur nach Bergungen aus alpinem Gelände übernommen. Kommt es zu keiner Bergung aus alpinem Gelände, weil die Pistenrettung den Patienten zu einem Parkplatz bringt, gilt wieder, dass der Patient die Kosten zu tragen hat.“
Insbesondere die einheimische Bevölkerung müsse sensibilisiert werden – Touristen sorgen für den Fall eines Unfalls meist sehr gut vor.
So werden Kosten übernommen
Durch Mitgliedschaften bei der Bergrettung, dem Alpenverein oder bei Automobilclubs werden Bergungskosten übernommen. Das ist neben privaten Unfallversicherungen auch bei Kredit- oder Skikarten wie der Snowcard möglich.
Der AK-Unterstützungsfonds wurde 2008 eingerichtet, um unverschuldet in Not geratenen Arbeitnehmerfamilien zu helfen. Seither wurden rund 7500 Anträge auf Unterstützung bearbeitet und über drei Mio. Euro ausbezahlt.