Ein Leben am Limit: Formel-1-Legende Niki Lauda wird 70
Schwarz-weiß-Denker und Kämpfernatur: Österreichs erfolgreichster Formel-1-Pilot, Niki Lauda, feiert heute seinen 70. Geburtstag.
Von Daniel Suckert
Innsbruck — Niki Lauda ist ein Schwarz-weiß-Denker. Das war er schon immer. Mit Grauzonen kann er nicht viel anfangen. Das muss Nico Rosberg vor drei Jahren spüren. Der deutsche Formel-1-Pilot tritt nach seiner ersten WM-Krone überraschend zurück. Etwas, was sein Boss, der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Lauda, partout nicht nachvollziehen kann. Ein Weltmeister müsse seinen Titel verteidigen und dürfe sich nicht so einfach zu Frau und Kind zurückziehen. Eine Kritik, die einigen sauer aufstößt. Die, die den erfolgreichsten rotweißroten Formel-1-Piloten kennen, wissen: So tickt Lauda nun mal.
„Niki muss man so nehmen, wie er ist", sagt einer, der ihn in- und auswendig kennt: der Wiener Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, mit dem Lauda seit sechs Jahren eine sehr enge Beziehung pflegt, die weit über die gemeinsame Formel-1-Arbeit beim Stuttgarter Autohersteller hinausgeht.
Anfangs versucht sich Wolff immer und überall noch zu rechtfertigen, wenn sein „Spezl" wieder einmal was sagt, was so manchem so gar nicht gefällt. Irgendwann lässt es der 47-Jährige einfach: „Der Niki ist der Niki und das muss man akzeptieren." Die Aufregung hierzulande hält sich in puncto Laudas Sager aber stets in Grenzen. In unseren Breitengraden fällt der heutige Jubilar in die Kategorie „Volksheld, der (fast) alles sagen darf".
Steckbrief
Voller Name: Andreas Nikolaus Lauda
Geboren: 22. Februar 1949 in Wien
Familienstand: verheiratet in zweiter Ehe mit Birgit, gemeinsame Zwillinge Max und Mia (9 Jahre); Aus erster Ehe mit Marlene entstammen die Söhne Lukas (40 Jahre) und Mathias (38 Jahre); Bruder Florian (68);
Der Tag, der alles ändert:
Und das hängt mit den Ereignissen des 1. August 1976 zusammen. Der Tag, der das Leben von Lauda für immer verändert. In der zweiten Runde des Deutschland-Grand-Prix (Nürburgring) prallt der Ferrari des Weltmeisters des Jahres 1975 gegen die Leitplanken. Fast 200 Liter Benzin laufen aus und entzünden sich sofort. Lauda wird bewusstlos. Einige nachfolgende Boliden rammen den Ferrari. Nach über einer halben Minute wird der Wiener erst aus dem brennenden Wrack gezogen. Lauda atmet giftige Dämpfe ein, die die Lunge verätzen. Die dramatischen Bilder, die um die Welt gehen, halten zwei Amateurfilmer in einem Super-8-Film fest.
Im Krankenhaus wird schnell ein Priester gerufen. Als der die letzte Ölung aber wortlos durchführt, wird Lauda sprichwörtlich „narrisch. Er hat gedacht, ich sei bewusstlos und hat nicht mit mir geredet. Da habe ich mir gedacht: Jetzt tue ich euch den Gefallen nicht, ich werde nicht abtreten."
Vier Tage lang schwebt er in akuter Lebensgefahr, mit Schmerzen jenseits der Vorstellungskraft. Aber nur 42 Tage nach dem schweren Rennunfall sitzt er wieder bei Ferraris Heim-Grand-Prix in Monza im roten Formel-1-Boliden. Die Pressekonferenz seiner Rückkehr wird zum Spektakel. Die deutsche Zeitung Bild titelt: „Wie kann der Mann ohne Gesicht weiterleben?"
Erst Jahrzehnte später, Hollywood hat die Ereignisse von 1976 in „Rush" (2013) aufgearbeitet, versteht er die Aufregung. Genau in dem Moment, als Schauspieler Daniel Brühl alias Niki Lauda in Erscheinung tritt: „Ich habe mein verschmortes Gesicht zum ersten Mal mit anderen Augen gesehen."
In Monza kämpft er zunächst mit Panikattacken im Cockpit, parallel mit der Scuderia, die nicht an seine Rückkehr geglaubt und bereits einen Nachfolger engagiert hat. Die Kämpfernatur tritt wieder in Erscheinung. Den anschließenden vierten Platz feiern die Tifosi wie einen Sieg und tragen ihren „Niki" auf den Schultern.
Von Schönheits-Operationen will der Sturschädel absolut nichts hören. Lauda: „Da ich in meinem Beruf nur vom rechten Fuß lebe, ist es mir egal, wie ich aussehe." Das „rote Kapperl" wird von da an sein Markenzeichen.
Karriere als Formel-1-Fahrer
Erster Grand-Prix-Start: 15. August 1971 in Österreich
Letzter GP-Start: 3. November 1985 in Australien
GP-Starts: 171
GP-Siege: 25
Podestplätze: 54
Pole Positions: 24
Schnellste Runden: 24
Teams: March (1971-1972), BRM (1973), Ferrari (1974-1977), Brabham (1978-1979), McLaren (1982-1985)
Größte Erfolge: Weltmeister 1975, 1977 und 1984
Hin und zurück:
Nach dem zweiten Weltmeistertitel (1977) und zwei erfolgloseren Jahren beendet er von heute auf morgen seine PS-Karriere mit den Worten: „Ich habe keine Lust mehr. Es gibt wichtigere Dinge im Leben, als im Kreis herumzufahren."
Die Lust am teuersten Kreisverkehr der Welt kehrt allerdings schneller, als ihm lieb ist, zurück. 1982 nimmt er das Angebot des britischen Traditionsrennstalls McLaren an, 1984 gewinnt er nicht nur als einziger Österreicher den Heim-Grand-Prix („Niki Nationale"), sondern holt sich seinen dritten WM-Titel. Mit einem halben Punkt Vorsprung auf seinen französischen Teamkollegen Alain Prost — die knappste Formel-1-Entscheidung aller Zeiten.
Ein Jahr später fährt ihn der Franzose aber in Grund und Boden. Erneut wiegt der dreifache Champion das Für und Wider ab, um eine endgültige Entscheidung zu treffen: „Ich hatte gegen ihn (Prost, Anm.) keine Chance mehr. Da war klar: Ich werde aufhören."
Die Leidenschaft, die Leiden schafft:
Der heutige fünffache Familienvater widmet sich fortan seiner zweiten Leidenschaft: der Fliegerei. Bereits 1979 hat er die Lauda Air gegründet — ab 1990 wird die zu einem weltweiten Linienflugkonzern. 1991 passiert das Unfassbare: Eine defekte Schubumkehr lässt die Lauda-Boeing in Thailand abstürzen, 223 Menschen sterben. Die Bilder von Lauda an der Unfallstelle gehen um die Welt. Und der geknickte Chef klammert erneut die Grauzonen aus: „Hätte es nur ein kleines Anzeichen für unsere Schuld am Absturz gegeben, ich hätte sofort alles hingeschmissen."
Er macht aber weiter, gründet bis heute drei Fluglinien (Lauda Air, flyniki, Laudamotion), die er aber alle nicht mehr besitzt. Parallel kehrt er zurück auf die große Formel-1-Bühne. Zunächst als Berater von Ferrari. Mitte der 90er-Jahre vermittelt er einen gewissen Michael Schumacher zu den Roten. Der Deutsche gewinnt für die Tifosi fünf WM-Kronen und wird mit insgesamt sieben zum alleinigen Rekordtitelträger der elitärsten Rennserie.
Für den Privatsender RTL kommentiert Lauda parallel das Geschehen auf dem glühenden Asphalt über 20 Jahre lang, 2012 übernimmt der aus wohlhabenden Kreisen stammende Perfektionist die Geschicke beim nächsten PS-Schwergewicht: Mercedes. Dort ist er heute noch.
Der Kreis schließt sich: Der Unfall von 1976 lässt ihn bis heute nicht los. Nicht mental („An den realen Unfall habe ich keine Erinnerung"), sondern körperlich. Zwei Nieren muss sich die Legende transplantieren lassen. Einmal ist sein Bruder Florian (1997), dann seine heutige zweite Ehefrau Birgit (2005) zur Stelle. Im Vorjahr überschlagen sich aber die Ereignisse bei seinem Ibiza-Urlaub mit der Familie und Freund Toto Wolff: „Alles klang zuerst wie eine Grippe, dann stand Niki auf einmal vor uns und sagte: ,Ich muss sofort nach Wien.'" Dort wird ihm mit einer Lungentransplantation das Leben gerettet.
Seither plagt er sich tagtäglich mehrere Stunden durch die Reha. Mit Fortschritten und Rückschlägen. Sohn Mathias erklärt dieser Tage, sein Vater wolle so schnell als möglich zurück in den normalen Alltag: „Und dafür kämpft er. Wie ein Löwe." Wie schon so oft zuvor in seinem Leben.