Großbritannien

Brexit-Hardliner Johnson wird neuer britischer Premierminister

Boris Johnson nach der Bekanntgabe seiner Wahl.
© AFP

Boris Johnson hat sich gegen seine Konkurrenz durchgesetzt und in der Urabstimmung der Parteimitglieder mit großem Abstand gewonnen. Direkt nach der Wahl kündigte er an, den Brexit zu vollziehen und das Land zu vereinen. Während vor allem Trump sich über den Sieg freut, sind Österreichs EU-Abgeordnete skeptisch.

London – Der Brexit-Hardliner Boris Johnson wird neuer Premierminister Großbritanniens. Der Ex-Außenminister setzte sich bei der Wahl zum neuen Chef der konservativen Tories deutlich gegen den amtierenden Außenminister Jeremy Hunt durch, wie die Partei am Dienstag bekannt gab. Johnson ist damit Chef der Konservativen Partei und soll am Mittwoch von Königin Elizabeth II. zum Premierminister ernannt werden.

Johnson erhielt in der Urabstimmung um den Tory-Vorsitz 92.153, Hunt 46.700 Stimmen. Die etwa 160.000 Parteimitglieder - das sind nach Angaben der Zeitung „Independent“ 0,34 Prozent aller Wahlberechtigten - hatten mehrere Wochen Zeit, um sich zwischen Johnson und Hunt zu entscheiden.

May sichert „volle Unterstützung“

Der 55-jährige Ex-Bürgermeister Londons war von Anfang an als haushoher Favorit für die Nachfolge von May gehandelt worden, die Anfang Juni nach zahlreichen herben Niederlagen den Parteivorsitz niedergelegt hatte. Sie konnte den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag nicht durchs Parlament bringen. May schrieb in Richtung Johnson auf Twitter: „Sie haben meine volle Unterstützung von den Hinterbänken.“ Rivale Hunt gratulierte ebenfalls, Johnson werde „in diesem kritischen Augenblick ein großartiger Premierminister für unser Land sein“.

Brexit soll nun vollzogen werden

Unmittelbar nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses erneuerte Johnson seine Ankündigung, den EU-Austritt Großbritanniens bis Ende Oktober vollzogen zu haben. „Wir werden den Brexit am 31. Oktober erledigt haben“, sagte er. Johnson ist nach eigenem Bekunden bereit, das Vereinigte Königreich auch ohne Austrittsvertrag bis zum 31. Oktober aus der EU zu führen, sollte Brüssel keine Zugeständnisse machen. Ein No-Deal-Brexit dürfte erhebliche negative Folgen für die Wirtschaft und viele weitere Lebensbereiche haben.

Die EU lehnt Nachverhandlungen jedoch kategorisch ab. Das betonte auch EU-Brexit-Chefverhandler Michel Barnier nach der Wahl Johnsons erneut. Möglich sind nach Barniers Worten lediglich Änderungen an der politischen Erklärung, die nicht Teil des Vertrags und rechtlich nicht bindend ist, zu den künftigen Beziehungen. Die Europäische Union werde an der Brexit-Vereinbarung festhalten, betonte auch Frans Timmermans, erster Vizepräsident der EU-Kommission.

Trump jubelt via Twitter, Österreicher skeptisch

Der scheidende EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker sowie die gewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierten Johnson. Beide betonten unabhängig voneinander, gut mit dem neuen britischen Premierminister zusammenarbeiten zu wollen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss sich den Glückwünschen an. „Ich gratuliere Boris Johnson und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit“, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag laut Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. „Unsere Länder soll auch in Zukunft eine enge Freundschaft verbinden“, fügte Merkel demnach hinzu. Auch der französische Präsident Emmnauel Macron beglückwünschte Johnson „herzlich“.

US-Präsident Donald Trump verkündete via Twitter: „Es wird großartig sein!“ Seine Tochter und Beraterin Ivanka Trump wollte ihre Glückwünsche wohl allzu schnell loswerden - und hat sich vertippt: Auf Twitter gratulierte sie dem künftigen Premier des „United Kingston“ statt United Kingdom. Der Fehler wurde schnell behoben - allerdings erst, nachdem tausende Internetnutzer ihn bereits entdeckt hatten.Ebenfalls via Twitter gratulierte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dem künftigen Premier. „Ich glaube daran, dass die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Vereinigten Königreich sich in dieser neuen Ära noch weiter entwickeln werden“, schrieb Erdogan.

Österreichs EU-Abgeordneten äußerten sich hingegen überwiegend skeptisch. Für ÖVP-Mandatar Othmar Karas habe Johnson „als Politiker bisher nicht immer den besten Eindruck“ gemacht. „Wenn Boris Johnson weiterhin seine Clown-Show abzieht, wird er damit in Brüssel auf taube Ohren stoßen“, ließ SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder wissen. FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky fordert, das „Kapitel Brexit endlich“ abzuschließen. Die Grüne EU-Delegationsleiterin Monika Vana glaubt an Neuwahlen in Großbritannien und die NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon fordert ein zweites Referendum.

Kritik aus der Labour-Partei

Scharfe Kritik kommt wenig überraschend aus den Reihen der britischen Labour-Partei. Oppositionschef Jeremy Corbyn forderte eine Neuwahl. Johnson sei von weniger als 100.000 Parteimitgliedern der Konservativen unterstützt worden und habe nicht das Land hinter sich gebracht, erklärte er auf Twitter. Auch der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan (Labour) warnte einmal mehr vor der „katastrophalen Bedrohung“ durch den Brexit.

Pfund-Kurs steigt an

Das britische Pfund reagierte auf die Wahl Johnsons unterdessen mit einem Kursanstieg. Am frühen Nachmittag machte das Pfund einen Teil der frühen Kursverluste wieder wett und wurde zuletzt bei 1,2457 US-Dollar gehandelt. Experten sehen nach der Wahl von Johnson Chancen, dass es doch noch zu einem geregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union kommen könnte, da er etwa keinen Widerstand des Brexiteer-Lagers fürchten müsse.

Am Mittwoch gibt May ihr Amt ab. Sie wird sich mittags ein letztes Mal den Fragen der Abgeordneten im Unterhaus stellen. Anschließend hält sie vor dem Regierungssitz Downing Street eine Abschiedsrede und reicht dann bei der 93-jährigen Queen im Buckingham-Palast ihren Rücktritt ein. Die Königin wird direkt danach Johnson zum neuen Premier ernennen und ihn mit der Regierungsbildung beauftragen. Auch von ihm wird dann eine Rede vor seinem Amtssitz erwartet.

Der Brexit-Hardliner wird wahrscheinlich viele Regierungsposten neu besetzen. Zeitungen spekulierten etwa über ein Comeback der früheren Brexit-Minister Dominic Raab und David Davis. Am vergangenen Wochenende hatten bereits Finanzminister Philip Hammond und Justizminister David Gauke die Aufgabe ihrer Ämter im Falle eines Wahlsiegs Johnsons angekündigt. Es wird mit Rücktritten weiterer EU-freundlicher Minister gerechnet.

Die Briten hatten im Juni 2016 nur mit knapper Mehrheit für eine Loslösung von der Europäischen Union gestimmt. Das Parlament ist seitdem heillos zerstritten. Hinzu kam, dass May nach einer verpatzten Neuwahl im Sommer 2017 eine Minderheitsregierung anführte, die die Unterstützung der nordirischen Partei DUP benötigte. (APA/dpa/Reuters/AFP)

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