London will Personenfreizügigkeit mit Brexit unmittelbar beenden
Der neue britische Premier verfolgt einen restriktiveren Kurs als seine Vorgängerin May. Eine Übergangsperiode in puncto Personenfreizügigkeit für EU-Bürger ist nicht mehr vorgesehen. Bei der Gestaltung der Grenze zwischen Nordirland und Irland schlägt Johnson eine Übergangslösung vor.
London – Die britische Regierung will die Personenfreizügigkeit für EU-Bürger unmittelbar nach dem Brexit abschaffen. Die Freizügigkeit werde „am 31. Oktober“ enden, sagte eine Regierungssprecherin am Montag. Die neue Regierung unter Premierminister Boris Johnson verfolgt damit einen restriktiveren Kurs als die vorherige Regierung unter seiner Parteikollegin Theresa May, die bei der Personenfreizügigkeit eine „Übergangsperiode“ vorgesehen hatte.
Die Einzelheiten des Einreiserechts für die Zeit nach dem Brexit stehen noch nicht fest. Die Regierungssprecherin sagte aber nun, es werde „härtere Regelungen“ in Fragen der Kriminalität geben. Außerdem erinnerte sie daran, dass Johnson für die Einführung eines Punkte-Systems nach australischem Muster sei, um die Einwanderungswilligen nach ihren Fähigkeiten zu beurteilen. Darüber hinaus hatte Johnson Anfang August gesagt, er wolle für die „besten Köpfe“ ein System zur beschleunigten Visa-Vergabe einführen.
Die Personenfreizügigkeit zählt mit dem freien Verkehr von Kapital, Gütern und Dienstleistungen zu den zentralen Errungenschaften der europäischen Integration. Derzeit leben schätzungsweise 3,6 Millionen EU-Bürger in Großbritannien. Unter May wurde ihnen angeboten, einen Antrag auf einen dauerhaften Aufenthaltstitel zu stellen. Davon machten inzwischen rund eine Million EU-Bürger Gebrauch.
Für die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien setzt sich die Gruppe The3million ein. Sie warnte davor, die „abrupte“ Abschaffung der Freizügigkeit am 31. Oktober laufe auf eine „Massendiskriminierung von möglicherweise mehr als zwei Millionen EU-Bürgern“ hinaus.
Grenze zu Irland: Johnson schlägt Übergangslösung vor
Zur Gestaltung der Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland nach dem Brexit schlägt Johnson indes eine Übergangslösung vor. Das Vereinigte Königreich und die EU hätten sich bereits auf die Möglichkeit alternativer Lösungen zum sogenannten Backstop verständigt, schreibt Johnson in einem am Montag von seinem Büro veröffentlichten Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Er schlage vor, die Backstop-Regelungen zur irischen Grenze aus dem EU-Vertrag durch eine Verpflichtung zu ersetzen, nach der die alternativen Lösungen so schnell wie möglich während einer Übergangsperiode eingeführt werden sollen. Johnson lässt in seinem Schreiben offen, wie diese alternativen Lösungen aussehen könnten.
Der von Johnsons Vorgängerin May mit der EU ausgehandelte Brexit-Vertrag sieht vor, dass keine Grenzkontrollen an der irischen Grenze wiedereingeführt werden sollen. Allerdings müssten dann aus Brüsseler Sicht die EU-Regeln weiterhin im britischen Nordirland oder in ganz Großbritannien gelten. Dies lehnt Johnson ab und hat angekündigt, dass sein Land spätestens am 31. Oktober die EU verlassen werde – ob mit oder ohne Brexit-Vertrag. Bisher lehnt die EU allerdings Nachbesserungen am Vertrag ab. Sollte es zu keiner Verständigung über den Backstop und in der Folge zu einem Brexit ohne Vertrag kommen, rechnen Experten mit konjunkturellen Einbrüchen. (APA/AFP/Reuters, TT.com)