„Ratten-Gedicht“

Van der Bellen ermahnt Strache, Regierung sieht SPÖ in der Pflicht

Bundespräsident Van der Bellen bei der Angelobung der Regierungsspitze Ende 2017. Nach mehreren rechtsextremen Fällen innerhalb der FPÖ warnt er vor einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas.
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Am Tag nach dem Rücktritt des Braunauer FPÖ-Vizebürgermeisters wegen seines “Ratten-Gedichts“ versucht die FPÖ Verfehlungen der SPÖ hervorzuheben. Bundespräsident Van der Bellen erinnert nach einem Gespräch mit FP-Chef Strache an die Verantwortung der Regierung.

Wien — Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben ihre Reaktion auf das „Ratten-Gedicht" des zurückgetretenen Braunauer Vizebürgermeisters verteidigt. Beide sehen aber auch die SPÖ in der Pflicht, wenn es um Konsequenzen bei Verfehlungen geht. Sie verwiesen am Mittwoch nach dem Ministerrat auf die Beschäftigung von Paul Pöchhacker.

Pöchhacker war jenes SPÖ-Kampagnenmitglied im Nationalrats-Wahlkampf, das manipulierte Facebook-Seiten gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz betrieben haben soll. Im Rennen um die Bundespräsidentschaft hatte er dem nach einem Sportunfall behinderten FP-Nationalratspräsidenten Norbert Hofer Helmut Qualtingers „Krüppellied" gewidmet. Laut Medienberichten ist Pöchhacker mit seiner Firma wieder für die SPÖ tätig.

Wenn es nun um die Kritik an „Einzelfällen" in der FPÖ geht, fehle SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner „jedwede moralische Legitimation", bezog Strache sich auf das Engagement Pöchhackers. Auch will sich der FPÖ-Obmann keine anderen Verfehlungen „in die Schuhe schieben lassen", wie Vereine, die mit der FPÖ nichts zu tun hätten. Bei der SPÖ regierten derzeit „Diffamierung", „Denunziation" und „Hetze".

Kurz erinnert an SPÖ-Koalitionen mit FPÖ

Kurz stellt sich bei der Kritik an der SPÖ hinter seinen Vize und erinnerte an die Koalitionen der Sozialdemokraten mit der FPÖ in Linz und im Burgenland. Auch will sich der Bundeskanzler laut eigener Aussage immer dann zu Wort melden, „wenn ich das Gefühl habe, dass es notwendig ist". Dies betreffe jede Form von Extremismus und Antisemitismus. Sollte dies ein Regierungsmitglied betreffen, will Kurz auch von seinem Durchgriffsrecht Gebrauch machen.

Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) sagte bereits vor dem Ministerrat, dass er die Koalitionsarbeit nicht gefährdet sehe. Die FPÖ habe die Konsequenzen aus der Veröffentlichung des Gedichts gezogen.

Für den blauen Innenminister Kickl ist es „wichtig, wie man mit Einzelfällen wie diesem" umgehe. Die eigenen Mitglieder dahin gehend verstärkt zu beobachten bedeute allerdings eine „Stasi innerhalb der Partei", betonte er. Auch Kickl nahm die SPÖ in die Pflicht, aus deren Reihen ebenso Vergleiche der FPÖ-Wähler mit Ratten gekommen seien. Kickl ortet dahin gehend eine „gewisse Schieflage in der öffentlichen Wahrnehmung".

Van der Bellen lud Strache zu Gespräch in Hofburg

Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnt nach dem „Ratten-Gedicht" vor einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas. „Hetze gegen Mitmenschen werden wir in Österreich niemals akzeptieren", so der Staatschef. Van der Bellen lobte die „klare Reaktion" von Kanzler Kurz.

Am Dienstag habe er Strache zu einem Gespräch in die Hofburg gebeten und dabei festgehalten, „dass alle Politikerinnen und Politiker, besonders aber die Funktionäre einer Regierungspartei Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft tragen und für ein Klima des Respekts zu sorgen haben".

Van der Bellen fordert neuerlich „Achtsamkeit beim Gebrauch der Sprache". Als Bundespräsident habe er den Willen und das Wohl aller im Blick zu haben: „Das ist selbstverständlich auch eine zentrale Aufgabe der Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache." (TT.com, APA)

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