Neue Kurz-Biografie: Zwischen Skurrilität und Schlampigkeit
Die neueste Biografie über den Alt- und vermutlich künftigen Bundeskanzler bietet Einblicke der ungewohnten Art.
Von Carmen Baumgartner-Pötz
Wien –Es ist bereits die dritte Biografie über Sebastian Kurz. Mitte September, rechtzeitig vor der Nationalratswahl, ist sie auf den Markt gekommen. Und wie auch die 2018 erschienene von BILD-Reporter Paul Ronzheimer trägt sie das scheinbare Qualitätssiegel „offiziell“.
Umso überraschender, wie es Autorin Judith Grohmann anlegt. Der Prolog, im Internet bereits mit #50shadesofkurz geadelt, gerät zu einer Liebeserklärung an Kurz im Stil billiger Ärzte-Liebesromane aus dem Supermarkt-Zeitschriftenregal: „Ich sah lediglich einen Teil eines Kopfes, doch der kam mir bekannt vor. Diese dunkelbraunen Haare, die streng nach hinten gekämmt waren, und die kleine, spitze Nase, die aus seinem Gesicht hervorlachte (...).“ Im Hauptteil wird es eher brav-redundant, mit durchgängiger ÖVP-Sichtweise der Dinge, kritische Stimmen werden fast komplett ausgespart.
Grohmann, Korrespondentin des Münchner Merkur, schreibt für eine deutsche Leserschaft, der augenscheinliche inhaltliche Fehler in dem Buch vielleicht gar nicht auffallen. So wird etwa Wolfgang Schüssel, der im Jahr 2000 aus der Position des Drittplatzierten Kanzler der ersten schwarz-blauen Koalition wurde, zum Sieger der Wahl gemacht. Eine historisch falsche Darstellung, die man übersehen habe, heißt es dazu bedauernd aus der ÖVP.
Subjektiv gefärbt ist eine persönliche Episode. Die Geschichte von der Arbeitslosigkeit seines Vaters, die Kurz mehrfach als prägende Zeit bezeichnet hat, findet sich auch in Grohmanns Biografie wieder: Es sei ein „privates Erdbeben“ gewesen, als Josef Kurz „von einem Tag auf den anderen zusammen mit mehreren Mitarbeitern bei Philips freigestellt wurde. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte.“ Sebastian Kurz, damals im Jahr 2005 Jus-Student, habe daraufhin „in den folgenden Monaten sein erstes selbstverdientes Geld seinen Eltern übergeben. Und er sparte, so viel er nur konnte.“
Von der TT bei Philips nachgefragt, hört sich das nüchterner an: Die Schließung des Philips-Videowerks sei neun Monate zuvor angekündigt worden und nicht überraschend gekommen. Josef Kurz wurden zwei Änderungskündigungen angeboten, die er nicht angenommen habe, heißt es von Philips-Seite. Außerdem habe es für leitende Angestellte eine großzügige Abfindung gegeben.
Nicht ganz so genau dürfte es Grohmann auch mit dem Zuspitzen der Zitate genommen haben. Zumindest findet sich vom ehemaligen ARD-Österreich- und Südosteuropa-Korrespondenten Till Rüger nur ein langer, äußerst positiver Befund zu Kurz. Seine kritischen Einschätzungen wurden weggelassen, wie Rüger der TT sagte.
Fazit: Mehr Hagio- als Biografie, der ungewollte Unterhaltungsfaktor bleibt auf das Vorwort beschränkt.