Causa Martinsbühel: „Auch wir haben seit Jahren keinen Ansprechpartner“
Erstmals nimmt die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden, Beatrix Mayrhofer, zu Martinsbühel Stellung. Sie begrüßt die weitere Aufarbeitung.
Von Peter Nindler
Innsbruck –Über Jahrzehnte erfolgten im Mädchenerziehungsheim Martinsbühel in Zirl sexualisierte Gewalt und Missbrauch von jungen Mädchen. Verantwortlich dafür waren die Benediktinerinnen aus Scharnitz, die das Heim bis 2006 geführt haben. Die Opferschutzkommission hat rund 100 ehemalige Heiminsassen entschädigt, doch aufgearbeitet wurden die Geschehnisse bisher noch nicht. Eine Petition im Landtag war zuletzt Triebfeder für die Einsetzung einer Expertenkommission des Landes, die Mitte des Jahres einen ersten Zwischenbericht vorlegen will.
Entscheidend ist das Öffnen aller Archive, vor allem vom Orden der Benediktinerinnen. Doch alle Versuche der Diözese Innsbruck sind bisher gescheitert. Nur noch eine Schwester von damals lebt noch, der Orden ist in die Schweiz übersiedelt. Erstmals äußert sich jetzt die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, Beatrix Mayrhofer, zum großen Schweigen der Benediktinerinnen. Mayrhofer gehört dem Orden „Arme Schulschwestern von Unserer Lieben Frau“ an.
„Was dort in Martinsbühel passiert ist, tut mir sehr leid“, sagt Mayrhofer im Gespräch mit der TT. Sie kennt die Schilderungen der Betroffenen und auch die erfolglosen Anstrengungen, die Verantwortung dafür herauszufiltern. „Leider fehlt auch uns eine Kontaktperson, wir haben seit Jahren keinen Ansprechpartner. Da geht es uns gleich wie der Diözese Innsbruck.“ Die Einsetzung einer Expertenkommission durch das Land begrüßt die Ordensfrau. „Weil jeder Versuch einer Aufarbeitung notwendig und wichtig ist. Wir müssen es unbedingt weiterversuchen“, sieht sie eine Verantwortung gegenüber den Heimopfern, die Mauer des Schweigens endlich zu durchbrechen.
Aber gibt es über die Autonomie der einzelnen Orden nicht so etwas wie eine gemeinsame Verpflichtung der einzelnen Kongregationen? Mayrhofer: „Natürlich sind wir hier als Ordensgemeinschaften in der Pflicht.“ Sie möchte deshalb selbst noch einmal aktiv werden und die Kongregation der Benediktiner auf Martinsbühel aufmerksam machen, damit zumindest diese aktiv werde.
Der Historiker Horst Schreiber hat die Heimerziehung in Tirol und die Fürsorgepolitik des Landes aufgearbeitet. Er spricht immer wieder davon, dass vor allem Frauenorden sich nicht ihrer Vergangenheit und den Untaten stellen wollen. Das Mutterkloster der Scharnitzer Benediktinerinnen ist das Kloster Melchtal in der Schweiz. Dort müsste sich wohl auch ein umfangreiches Archiv über die Zeit von Martinsbühel befinden. Doch die verbliebenen Schwestern von Melchtal ziehen dieser Tage erneut um, nämlich in das Benediktinerinnenzentrum Sarnen im Kanton Obwalden.
Möglicherweise findet die Kommission des Landes dort Antworten, schließlich soll das Kloster in Sarnen „das wertvolle Wissen“ für künftige Generationen erhalten. Und will vielleicht auch das dunkelste Kapitel seiner Geschichte endlich sichtbar machen.