Gedenkfeier in Paris: 100 Jahre Kriegsende

„Nationalismus ist Verrat“: Merkel und Macron rügen Trump

US-Präsident Trump, Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron gedenken in Paris der Toten des Ersten Weltkriegs. Auch der russische Staatschef Wladimir Putin wohnte der Gedenkfeier bei.
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US-Präsident Trump bezeichnet sich selber als Nationalist. „Verrat am Patriotismus“, hält ihm der französische Präsident bei der Gedenkfeier zum Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs entgegen. Auch die die deutsche Kanzlerin warnt vor „nationaler Selbstherrlichkeit“.

Paris – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben anlässlich des 100. Jahrestages des Endes des Ersten Weltkriegs eindringlich vor dem erstarkenden Nationalismus und Gefahren für den Weltfrieden gewarnt. „Die alten Dämonen steigen wieder auf – bereit, ihr Werk von Chaos und Tod zu vollenden“, sagte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. „Patriotismus ist das genaue Gegenteil von Nationalismus. Nationalismus ist Verrat am Patriotismus. Den zentralen Gedenkfeierlichkeiten in Paris hatten rund 70 Staats- und Regierungschefs beigewohnt – darunter auch Donald Trump, Wladimir Putin und Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Trump besuchte US-Soldatenfriedhof

Auch Merkel warnte vor „nationaler Selbstherrlichkeit und militärischer Überheblichkeit“. Der Erste Weltkrieg habe gezeigt, wohin das führen könne, sagte sie bei einem anschließenden Friedensforum in Paris. Sie sei in tiefer Sorge, dass sich wieder „nationales Scheuklappendenken ausbreitet“. „Wir sehen doch, dass internationale Zusammenarbeit, friedlicher Interessenausgleich, ja selbst das europäische Friedenswerk wieder in Frage gestellt werden“, beklagte sie.

Trump hatte bei seiner Ankunft in Paris am Freitag Macron heftig kritisiert. Anstoß war die von Macron ins Spiel gebrachte europäische Armee gewesen.
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Merkel und Macron setzten damit ein Zeichen gegen die Politik von US-Präsident Donald Trump, der das nationale Interesse der USA in den Vordergrund stellt und den Multilateralismus ablehnt. An dem Forum nahm der US-Präsident nicht teil: Er besuchte einen US-Soldatenfriedhof westlich von Paris. Er wolle den tapferen Amerikanern Anerkennung zollen, die ihr Leben gelassen haben. „Es war ein brutaler Krieg“, sagte Trump. „Millionen amerikanische und französische Soldaten und Alliierte kämpften mit herausragendem Können und Mut in einem der blutigsten Konflikte in der Geschichte der Menschheit.“

Trump zollte den gefallenen amerikanischen Soldaten seine Anerkennung.
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Trump, der sich selber als Nationalist bezeichnet und eine „America First“-Politik verfolgt, verzog während der 20-minütigen Rede des französischen Präsidenten keine Mine. Weder vom US-Präsidialamt noch aus Russland gab es zunächst Reaktionen auf den Appell.

10.000 Sicherheitskräfte im Einsatz

Am Rande der Feierlichkeiten kam es zu einem Zwischenfall. Eine Aktivistin der Frauenrechtsgruppe Femen rannte auf die Autokolonne von US-Präsident Donald Trump zu als dieser auf dem Weg zum Arc de Triomphe war. Auf ihren nackten Oberkörper hatte sie „falscher Friedensstifter“ (Fake Peacemaker) geschrieben. Sie kam bis auf wenige Meter heran, bevor sie von der Polizei aufgehalten wurde.

Rund 10.000 Sicherheitskräfte schützten die Gedenkfeier in Paris und das Friedensforum. Etwa 1000 Menschen demonstrierten laut Medien auf den Straßen der Hauptstadt gegen Trump, von weiteren Zwischenfällen war zunächst nichts bekannt.

Macron richtete sich vor dem Triumphbogen an seine Gäste: Nur gemeinsam könnten die Bedrohungen der heutigen Zeit gebannt werden.
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Macron erinnerte bei den Feierlichkeiten am Arc de Triomphe auch an die Millionen Toten des Krieges von 1914-1918. Es seien nicht nur zehn Millionen Soldaten ums Leben gekommen, sondern auch Millionen Frauen zu Witwen und Kinder zu Waisen geworden. „In diesen vier Jahren hat sich Europa fast umgebracht“, resümierte er.

Man muss sich erinnern, wohin der Nationalismus der 30er-Jahre geführt hat.
Alexander Van der Bellen (Bundespräsident)

Macron rief in einem flammenden Appell eindringlich auf, für Frieden und eine bessere Welt zu kämpfen. Nur gemeinsam könnten die „Bedrohungen“ der heutigen Zeit gebannt werden. Als konkrete Bedrohungen nannte er die Klimaerwärmung, Armut, Hunger oder die Ungleichheiten. Macron saß bei der Gedenkfeier neben Merkel, die wiederum neben Trump platziert war. Als letzter Gast kam schließlich Putin, der sich neben Brigitte Macron setzte.

Lob von Van der Bellen, Kritik von Gauland

Großes Lob für Macrons Initiative kam von Bundespräsident Van der Bellen. „Ich finde es schon wichtig, dieses Ereignis so zu begehen, und ich bin Präsident Macron dankbar, dass er dies in dieser Weise macht“, sagte er vor österreichischen Journalisten. „Dass so viele kommen, ist wichtig“. Ähnlich wie Macron nannte er das Erinnern angesichts der aktuellen internationalen Spannungen wichtiger denn je. „Gerade dann muss man sich erinnern, wohin der Nationalismus der 30er-Jahre geführt hat.“

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland kritisierte die Teilnahme Deutschlands an der Gedenkveranstaltung in Paris. Er halte es für falsch, Geschichte nachträglich umzuschreiben und sich an der Siegesfeier der damaligen Verbündeten nachträglich zu beteiligen, sagte Gauland in der ZDF-Sendung „berlin direkt“. Deutschland habe den Krieg verloren und die Politik, die zum Ersten Weltkrieg geführt habe, habe viele Schuldige. „Wir können uns aber nicht am Ende in einer historischen Situation, die abgeschlossen ist, auf die Seite der Sieger schlagen und jetzt vielleicht neben Herrn Macron durch den Arc de Triomphe marschieren.“ (APA, AFP, dpa, TT.com)

Emmanuel und Brigitte Macron empfingen Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Frau Doris Schmidauer.
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