USA

Ein Präsident mitten im Schlamassel: Trumps unruhiger Advent

US-Präsident Donald Trump durchlebt die zumindest bislang kritischste Phase seiner Amtszeit.
© imago stock&people

Schon beim G20-Gipfel in Buenos Aires war Donald Trumps relative Zurückhaltung aufgefallen. In diesen Tagen wird klar: Der Präsident steht vor einem großen Haufen von Problemen. Der politische Gegner spricht schon von Amtsenthebung – wohl erstmal nur eine Drohgebärde.

Washington – Melania Trump hat das Weiße Haus vor Weihnachten festlich geschmückt. Sollte die Dekorationskunst der First Lady es geschafft haben, eine friedliche Stimmungslage zu vermitteln, so täuscht diese: Vor Tannenzweigen und Christbaumkugeln kämpft ihr Ehemann derzeit das, was viele in Washington als „die Schlacht seines Politikerlebens“ nennen. Richter und Staatsanwälte beschäftigen sich mit dem Vorgehen der Regierung, engen Vertrauten des Präsidenten droht Haft. Donald Trump steht so dicht mit dem Rücken zur Wand, wie vermutlich noch nie in seiner fast zwei Jahren währenden Präsidentschaft.

Der politische Gegner ruft nach einer Amtsenthebung, von einer Inhaftierung des Präsidenten nach Verlassen des Oval Office ist gar die Rede. Adam Schiff, demokratischer Kongressabgeordneter und eines der politischen Schwergewichte im Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses sagt so etwas mit einem Lächeln in die Kameras. Er weiß nur zu genau: Trump hat derzeit nicht die Kraft und nicht die Munition, um adäquat zurückzuschießen.

Neuer Stabschef inmitten des Chaos nur schwer zu finden

Sein Weißes Haus ist noch mehr in Unordnung geraten, als es das ohnehin schon von Beginn seiner Präsidentschaft an war. Trump tut sich sogar schwer, einen Stabschef zu finden, als Ersatz für den ab Jahresende befreiten John Kelly. Der General hatte sich in internen Streitigkeiten aufgerieben und war bei Trumps Familienmitgliedern, Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner, in Ungnade gefallen. „Sie schmeißen jetzt den Laden“, zitierte die New York Times jüngst einen Insider. Kelly soll das Paar als „Dilettanten“ bezeichnet haben, die versuchten „Regierung zu spielen.“

Dass er die Entlassung Kellys bekanntgab, ohne einen Nachfolger sicher zu haben und sein Favorit Nick Ayers ihn dann brüsk sitzen ließ – all das ist nur eine Personalie, aber auch ein wichtiges Indiz dafür, wie sich die Zustände im Hause 1600 Pennsylvania Avenue derzeit präsentieren. Selbst mit allen Wassern gewaschene politische Reporter wie die CNN-Chefkorrespondentin Dana Bash riefen entgeistert „Wow!“ als Trump sich am Dienstag auf offener Bühne und vor laufenden Kameras mit den Demokraten Nancy Pelosi und Chuck Schumer stritt – und dabei argumentativ nicht besonders gut aussah.

Trump direkt mit Vorwürfen von Straftat konfrontiert

Den Boden für solcherlei Spektakel bereiten im Hintergrund juristische Auseinandersetzungen, gegen die Trump kein Gegenmittel zu haben scheint. In einem Verfahren gegen seinen Anwalt Cohen wird ihm nunmehr selbst implizit vorgeworfen, Straftaten begangen zu haben – mit der Anordnung von Schweigegeldzahlungen an eine mutmaßliche frühere Gespielin. Auch in den Russland-Ermittlungen wird das Geläuf für Trump tiefer. Die Gefahr, in dem Sumpf irgendwie stecken zu bleiben, ist virulent.

Es ist wenig klar bei all den Prozessen gegen Trumps einstige Helferschar, gegen Leute wie Michael Flynn, Michael Cohen und Paul Manafort. Ein Wort aber kommt in all den Prozessakten besonders häufig vor: Lüge! Flynn hat gelogen, Cohen hat gelogen, Manafort hat nach Überzeugung der Ermittler gelogen. Auch George Papadopoulos, Trumps früherer Politik-Berater und Auslöser der Russland-Ermittlungen, hat zugegebenermaßen gelogen.

Gegen den früheren Nationalen Sicherheitsberater Flynn hätte am Dienstag das Strafmaß verkündet werden sollen. Überraschend wurde es verschoben. Richter Emmet Sullivan deutete allerdings an, dass er sich über die Empfehlung des Sonderermittlers Robert Mueller hinwegsetzen könnte, dem 60-jährigen Ex-General eine Gefängnisstrafe zu ersparen. Flynn habe sich nämlich „verräterisch“ verhalten.

Mueller geht gegen Trump wie gegen Mafiosi vor

Trump war angetreten mit der Ankündigung, Politik anders zu machen, als das Establishment im für viele Amerikaner verhassten Politikbetrieb von Washington. Mit diesem Versprechen hat er bei seinen Stammwählern im Mittleren Westen gepunktet, der Hass auf die politische Klasse ist ausreichend groß. Allmählich aber lichtet sich das Dickicht und zum Vorschein kommt ein Donald Trump, der in Medienberichten inzwischen vorsichtig mit einem Mafiosi verglichen wird.

Russland-Sonderermittler Robert Mueller, so schrieb der britische Guardian jüngst, wende bei seinem Vorgehen die Ermittlungsmethoden an, die auch im Kampf gegen das organisierte Verbrechen angewendet werden. Indizien anzuführen, die solche Wertungen stützen, fällt nicht allzu schwer. Dass Trump etwa den zwielichtigen Wald- und Wiesen-Juristen Michael Cohen beschäftigte, der plötzlich so reich wurde, dass er Millionen Steuern hinterziehen konnte und dem heute vier bis fünf Jahre Haft immer noch lieber sind, als umfassend auszupacken – das ist eines davon.

Ob solcherlei Vergleiche tatsächlich berechtigt sind, mögen erst die nächsten Monate, vielleicht auch Jahre zeigen. Die Arbeit von Sonderermittler Robert Mueller in der Russland-Affäre um Einmischung in die Präsidentschaftswahl 2016 geht langsam voran und steht unter politischem Dauerbeschuss aus dem Weißen Haus. Kaum ein Tag vergeht, an dem Trump nicht per Twitter Stimmung gegen Mueller machen würde.

Trump beschäftigt sich mit möglicher Amtsenthebung

Fest steht aber, dass Trump es nie schwerer hatte, als derzeit. Schumer und Pelosi zeigten ihm am Dienstag deutlich auf, woher der Wind mit einer demokratischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus wehen wird, wenn das Ergebnis der Parlamentswahlen vom November im Januar zum Tragen kommt. Dass es zum Impeachment, also zu einem Amtsenthebungsverfahren kommen kann, damit beschäftigt sich nach Medienberichten der Präsident inzwischen auch selbst.

Doch bei den Demokraten herrscht erst einmal große Zurückhaltung – nicht nur deswegen, weil die wohl notwendige Unterstützung aus Trumps eigener republikanischer Partei nicht erkennbar ist. „Es kann sein, dass wir dahin kommen, aber wir sind noch nicht dort“, sagt der unabhängige Senator Angus King.

Warten auf belastbare Ergebnisse Muellers

Bei den Demokraten besteht die Hoffnung, dass Muellers Team mit jedem Tag der Ermittlungsarbeit noch mehr Belastbares gegen den Präsidenten hervorbringt. Solange dies der Fall ist, wäre ein Schritt in ein formelles Verfahren geradezu töricht. Zu groß ist die Angst, dass die Wählerschaft den politischen Zirkus in Washington erneut abstraft und sich mit Trump solidarisiert, weil man dessen Vergehen als entschuldbar ansieht.

Der von Trump entlassene FBI-Chef James Comey – einst Mitglied der Republikaner und inzwischen zum Trump-Feind Nummer eins aufgestiegen, vertritt die Ansicht: „Alle von uns müssen jeden Atemzug dazu nutzen, um sicherzustellen, dass die Lügen am 21. Januar 2021 aufhören.“ Mit anderen Worten: Trump muss abgewählt werden - mit Hilfe einer freien Wahl, dem schärfsten Schwert eines demokratischen Rechtsstaates. (dpa)

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