Seefeld 2019

Doping-Experte Seppelt: „Demut beim ÖSV wäre das Richtige“

Hajo Seppelt hat sich vornehmlich dem Thema Doping verschrieben - die Arbeit geht dem Berliner dabei niemals aus.
© imago

Es war nicht das erste Mal, dass ARD-Journalist Hajo Seppelt eine Aufklärungswelle zum Thema Doping ins Rollen brachte. Der 55-jährige Berliner äußert sich nach der Seefelder WM-Razzia kritisch zu Reaktionen.

Seefeld – Tiefe Ringe unter den Augen, Handy am Ohr und von einem Schauplatz zum anderen eilend – so war der deutsche Doping-Experte Hajo Seppelt von Montag bis Donnerstag in Seefeld zu sehen. Während ein Teil seines Teams immer noch bei der Weltmeisterschaft weilt, flog der 55-Jährige zurück nach Berlin. Hier wie da begleitet den Doping-Experten wegen diverser Drohungen öfter einmal ein Bodyguard. Darüber spricht er jedoch nicht gerne, umso lieber deckt er auf und kritisiert.

Wie groß sehen Sie die Auswirkungen der Doping-Affäre?

Hajo Seppelt: Es hat sich bewahrheitet, dass in Erfurt umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden ist. Die Frage steht daher im Raum: Gehört das allein den fünf Athleten? Das ist kaum vorstellbar. Es ist davon auszugehen, dass auch andere Sportler und andere Sportarten betroffen sind. Es könnte also sein, dass dies quasi nur ein Aufgalopp einer viel größeren Dopingaffäre ist.

Wie können die Blutbeutel Athleten zugeordnet werden?

Seppelt: Durch die DNA. Man muss versuchen, diese zu bekommen, indem man die Athleten fragt, ob sie bereit wären, DNA-Proben abzugeben. Eine Verpflichtung dazu hätte ein Sportler nur, wenn ein sehr konkreter Verdachtsmoment gegen ihn auf dem Tisch liegt. Ansonsten müsste an die Freiwilligkeit appelliert werden. Zum Beispiel mit dem Argument: „Ihr seid in der Patientenkartei des Arztes in Erfurt geführt. Damit ihr eure Unschuld beweisen könnt, könntet ihr eine DNA-Probe abgeben.“ Das ist das, was bei den Fuentes-Blutbeutel-Funden vor zwölf Jahren bisher verhindert wurde.

Sie sind als sehr bedachter Mensch in der Öffentlichkeit bekannt.

Seppelt: Ich kann auch sehr lustig sein.

Das war nicht gemeint. Sie verweisen immer auf die sachliche Ebene. In einem Interview sagten Sie jedoch: Die Österreicher sollen nicht so viel feiern und sich mehr um die Doping-Problematik kümmern. Eine provokante Aussage – warum?

Seppelt: Das ist richtig und bezieht sich auf meine Beobachtung so mancher österreichischer Funktionäre und Journalisten. Ich bin der Meinung, dass Journalismus nichts mit Jubel, sondern mit Unabhängigkeit und Distanz zu tun hat. Unsere Aufgabe sollte es sein, Sport zu beobachten, nicht mehr. Journalisten haben nichts mit Athleten gemein. Es ist zu beobachten, dass etliche Sportjournalisten in Deutschland und Österreich sich als Teil einer Sportfamilie begreifen. So manche Sportjournalisten täten sich – genauso wie Berichterstatter anderer Ressorts – nach meinem Eindruck eher einen Gefallen, wenn sie mehr Distanz wahren. Aber daran mangelt es mitunter. Ein Politikjournalist würde wohl auch eher nicht Frau Merkel umarmen und ihr zur gewonnenen Wahl gratulieren.

Ist Ihnen zuletzt etwas diesbezüglich aufgefallen?

Seppelt: Wenn ich in einer Zeitung lese, dass sich Herr Gandler mit Herrn Hoffmann und den anderen beiden von der Gold-Staffel von 1999 trifft, dann wird das hier gefeiert, als ob sie Fußball-Weltmeister geworden wären. Aber es kommt kein einziger Satz, dass Herr Hoffmann ein überführter Dopingsünder ist. Was ist das für ein Journalismus? Und ich frage mich: Wie kann eine Zeitung Sponsor eines Verbandes sein? Das wäre, wie wenn der CDU-Sponsor über die Bundeskanzlerin berichtet.

Die Verantwortlichen vom Schigymnasium Stams werfen Ihnen auch unsauberes Arbeiten vor, weil Sie sich für die Dürr-Dokumentation unter falschem Vorwand angemeldet hätten?

Seppelt: Wir haben für das Wintersportprogramm der ARD – in die der Dürr-Film eingebettet wurde – Aufnahmen produziert, die wir für alle unsere Sendungen gebrauchen. Wir haben das ordnungsgemäß kommuniziert. Sollte man in Stams nicht wollen, dass Bilder von dort in Zusammenhang mit einem ehemaligen Schüler gesendet werden, der später des Dopings überführt wird, würde mich das wundern. Eigentlich müssten sie dort doch froh sein, dass ein Schüler von einst eine solch wichtige Debatte anstößt. Es wäre seltsam, wenn es anders wäre.

Hatten Sie schon einmal Kontakt mit ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel?

Seppelt: Ich habe ihn einmal vor zehn Jahren getroffen. Er ist für uns derzeit kein primäres Thema. Wir haben Peter Schröcksnadel bisher als Person in unserer Berichterstattung selten thematisiert.

Wie bewerten Sie die Reaktion des Verbandes?

Seppelt: Ich habe das Gefühl, dass sie langsam merken, dass etwas passieren muss. Ich kann nur fragen: Wie kann man im Jahre 2018 Johannes Dürr verklagen, weil er sinngemäß sagt, dass Leute nicht richtig hinschauen oder wegschauen? Ich finde: Wenn die Menschen im Verband Größe zeigen würden, sollten sie Manns genug sein und die Klage zurückziehen. Das wäre ein Signal. Und wer behauptet, dass Dürr in einem Medium Namen nennen soll, dann soll er mal bis drei zählen: Weil es sehr schwierig ist, in einer Dokumentation Namen zu nennen, wenn er – zu dem Zeitpunkt – es nur aus eigenem Erleben schildern kann, aber dafür keine Beweise hat. Das ist jetzt ja nun anders. Er hat ja nach der Doku die Namen der Staatsanwaltschaft genannt. Und was dabei jetzt rausgekommen ist: dass alles stimmt. Ein bisschen mehr Demut im ÖSV wäre daher nach meinem Eindruck das Richtige.

Wie werden die kommenden Tage für Sie?

Seppelt: Sehr arbeitsreich.

Das Gespräch führte Susann Frank

Verwandte Themen