Spionagefall - Vorgehen westlicher Geheimdienste gegen GRU

Wien/Moskau (APA) - Der Spionagefall um einen pensionierten österreichischen Bundesheer-Offizier steht im Kontext des Vorgehens westlicher G...

Wien/Moskau (APA) - Der Spionagefall um einen pensionierten österreichischen Bundesheer-Offizier steht im Kontext des Vorgehens westlicher Geheimdienste, die seit Anfang Oktober Aktivitäten des russischen Militärgeheimdienstes GRU öffentlich gemacht haben. Als Anlass gelten hartnäckige Dementis Russlands in Bezug auf die Causa Skripal im englischen Salisbury.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) ließen in ihrer Pressekonferenz am Freitagvormittag keinen Zweifel, dass der Spionagefall eines 70-jährigen pensionierten Bundesheeroffiziers in einem internationalen Kontext steht. „Uns wurden diese Informationen vor einigen Wochen durch einen befreundeten Dienst bekannt“, erklärte Verteidigungsminister Kunasek. Bundeskanzler Kurz verwies seinerseits darauf, dass russische Spionage sowohl in den Niederlanden als auch in Österreich das Verhältnis zwischen Russland und der EU nicht verbessere.

Obwohl der Bundeskanzler seinen Verweis auf die Niederlande nicht näher spezifizierte, dürfte er sich auf jenen Fall bezogen haben, der am 4. Oktober 2018 offiziell bekannt wurde. Die niederländische Verteidigungsministerin Ank Bijleveld hatte an diesem Tag einen vereitelten russischen Spionageangriff auf die in Den Haag ansässige Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) öffentlich gemacht, der bereits im April zur Ausweisung von vier russischen Staatsbürgern geführt hatte.

OPCW hatte sich zuvor mit dem mutmaßlichen Einsatz verbotener chemischer Waffen durch das mit Russland verbündete Assad-Regime in Syrien beschäftigt, aber auch Untersuchungen im Zusammenhang mit einem Anschlag auf den ehemaligen russischen Militärgeheimdienstler Sergej Skripal Anfang März 2018 in England.

Nachdem Großbritannien bereits kurz nach diesem Giftanschlag gegen den Ex-Offizier des russischen Militärgeheimdiensts Vorwürfe gegen seine ehemalige Dienststelle erhoben hatte, war jedoch erst Anfang September mit der Veröffentlichung von Videoüberwachungsbildern Bewegung in den Fall gekommen: Britische Behörden hatten erklärt, dass es sich bei zwei unter falscher Identität agierenden russischen Staatsbürgern, die sich zum Tatzeitpunkt im März 2018 in Salisbury befunden hatten, um Angehörige des russischen Militärgeheimdienstes GRU handle.

Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte kurze Zeit später, dass Aleksandr Petrow und Ruslan Boschirow einfache Bürger seien. Ein Interview, das sie im russischen Staatsfernsehen gaben, sorgte bei vielen Beobachtern jedoch für massives Kopfschütteln. Internationale und russische Medien outeten in Folge die angeblichen Kleinunternehmer Petrow und Boschirow als dekorierte GRU-Offiziere Aleksandr Mischkin und Anatoli Tschepiga. Im Zuge der Recherchen wurden Journalisten aber auch die Identitäten Dutzender weiterer GRU-Agenten zugespielt, deren Reisepässe über ähnliche Nummern verfügten oder die an denselben Adressen wie Mischkin/Tschepiga in Moskau gemeldet waren. Dass auch westliche Geheimdienste über den Wissensstand von Journalisten verfügen, gilt als wahrscheinlich.

Dass westliche Dienste konzertiert gegen Aktivitäten des GRU vorgehen, wurde am 4. Oktober auch durch die Veröffentlichung einer US-amerikanischen Anklageschrift deutlich, in der Details niederländischer Ermittlungen zum OPCW-Spionageangriff verwertet worden waren. Unter anderem hatten die Niederlande, so wurde aus US-amerikanischen Veröffentlichungen bekannt, im April eine Taxirechnung beschlagnahmt, die bewies, dass einer der abgeschobenen Russen von einer auf russische Cyber-Aktivitäten spezialisierten Militärbasis direkt zum Moskauer Flughafen gefahren war.

Parallel wurde im Herbst aber auch in der Schweiz bekannt, dass sich aus den Niederlanden abgeschobene Russen auch für jenes Schweizer Chemielabor interessiert hatten, das Proben aus der Causa Skripal untersucht hatte. Und Österreichs Behörden wurden vom europäischen Partnerdienst nun vor einigen Wochen sichtlich über einen weiteren Fall mutmaßlicher Aktivitäten des GRU informiert, mit denen sich seit Freitag nun die heimische Justiz beschäftigt.